Primal Scream - More light
Ignition / Indigo
VÖ: 10.05.2013
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Der alte Mann und das Mehr
Er reicht ihm nicht. Dieser ewige Blick zurück auf die eigene Diskografie, die Primal Scream auf den letzten beiden Platten "Riot city blues" und "Beautiful future" pflegten. "More light", so heißt es, soll nun auch an weiter zurückliegende Werke erinnern, allen voran an "Screamadelica". Alles Lüge. Denn der mittlerweile 50-jährige Frontmann Bobby Gillespie will endlich wieder mehr. Und mehr heißt bei dem Schotten meistens einfach mehr Chaos. Und es stimmt: Das Jubiläumsalbum ist die zehnte Studioplatte und chaotischer und monströser als die beiden Vorgänger. Und musikalisch im Gesamtwerk gar nicht so einfach zu verorten.
Jetzt also: famous last words. Das Letzte, was Johann Wolfgang von Goethe gesagt haben soll, bevor er von dannen ging: "Mehr Licht!" Oder ist der Titel doch eher einem Acid-Trip geschuldet? Das wird nur der gute Mann alleine wissen. "More light" klingt jedenfalls wieder einmal so, als wären innerhalb des Produktionsteams diverse verbotene Substanzen herumgegangen. Alleine der neunminütige Opener wischt alles vom Tisch, was Primal Scream zuletzt in mühevoller Kleinarbeit so wunderbar dorthin drapierten. So psychedelisch verwischt und vollkommen übertrieben hat sich der Frontmann schon lange nicht mehr gefeiert. Egal ob Beats, Bläser oder Gitarren - alles stimmt in den Abgesang auf unsere Kultur mit ein. Der Tenor lautet hier: Mach doch was du willst, es ändert sich eh nichts, denn das hat es die letzten 2000 Jahre nicht, bis heute, "2013". Die Sinnlosigkeit unseres Tuns in neun tanzbare Minuten gepackt. So viel Arsch in der Hose hat wohl nur Gillespie. Und singt der Mann gegen Ende tatsächlich immer wieder "Zug im Gleis"? Wahrscheinlich nicht, aber was dann? Um Aufklärung wird gebeten.
Einen noch besseren Trip muss Gillespie beim anschließenden, nur sieben Minuten langen "River of pain" gehabt haben. Hier leiert alles so behäbig vor sich hin, dass es dem Schotten selber wurscht zu sein scheint, ob sich das Free-Jazz-Durcheinander zur Mitte komplett verliert oder doch noch so etwas wie einen herkömmlichen Song abwirft. "Culturecide" macht einfach dort weiter und verwurstet zu aufrührerischem Sprechgesang eine Querflöte. Wer darf so etwas ernsthaft außer Primal Scream, ohne dass man einfach nur abwinkt? Eben, niemand. Und deswegen gehört diese Band bei aller Kritik gehegt und gepflegt, denn so etwas Durchgeschossenes, das sich trotzdem immer irgendwie am Mainstream entlanghangelt, wird es so schnell nicht wieder geben.
Mainstream, weil Gillespie mit "Invisible city", "Goodbye Johnny" und "Turn each other inside out" auch ein paar Soul- und Bluesrockhits am Start hat, die aber mit Sicherheit keine Singles werden, so wie man diese Band kennt. Primal Scream beschließen ihr bestes Album seit "Evil heat" standesgemäß mit einem großen Gospelsong, wie sie ihn immer mal wieder aus dem Koffer zaubern. "It's alright, it's okay" heißt es hier programmatisch für "More light", obwohl die Schotten diese Selbstvergewisserung gar nicht nötig haben. Denn Bobby Gillespie hat mit seinem zehnten Album endlich mal wieder das gleißende Licht der Kreativität gesehen. Wohl wieder zu viel eingeschmissen, was?
Highlights
- 2013
- Invisible City
- Relativity
Tracklist
- 2013
- River of pain
- Culturecide
- Hit void
- Tenement kid
- Invisible city
- Goodbye Johnny
- Sideman
- Elimination blues
- Turn each other inside out
- Relativity
- Walking with the beast
- It's alright, it's okay
Gesamtspielzeit: 68:28 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33676 Registriert seit 07.06.2013 |
2021-07-14 21:34:36 Uhr
Ist halt zur "Evil heat"-Tour, dementsprechend ordentlich Verzerrer, Lärm und Geballer. :D Aber gegen Ende dann auch ruhigere Sachen. Und auch sowas wie "Autobahn 66" läuft super live.Einige Songs sind sogar noch besser mal auf Platte, für mich besonders "Pills" (absoluter Alarm live!) und "Kowalski". |
ijb Postings: 6521 Registriert seit 30.12.2018 |
2021-07-14 21:20:14 Uhr
Hört sich gut an. Die eine Rezension, die ich zu dem Livealbum "damals" gelesen habe, hat mich nicht so wirklich angeregt, die Platte mal anzuhören. Ich werde das aber gerne mal nachholen. |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33676 Registriert seit 07.06.2013 |
2021-07-14 14:36:21 Uhr
Was übrigens auch ein gute Wahl gewesen wäre: das fantastische Live-Album "Live in Japan". Das hier leider nicht mal einen Thread, was ich wohl noch ändern sollte. Was da abgeht, ist echt unklar. :D Allein wie "Miss Lucifer" doppelt so schnell wie Original durchgeprügelt wird... mega. Aber am fantastischsten ist klar die "Kowalski"-Version, die das schon geniale Original nochmal auf eine neue Ebene hebt. Wahnsinn! |
ijb Postings: 6521 Registriert seit 30.12.2018 |
2021-07-14 14:24:56 Uhr
@ fuzzmyass Ich denke auch, dass "More Light" gegenüber "Give Out" das bessere, weil interessantere Album ist. Entgegen der hier vorherrschenden Meinung muss ich aber dennoch mal einwerfen, dass ich sowohl "Give Out" als auch "Riot City Blues" sehr gerne höre, speziell allerdings die Rock- und Funk-Nummern. Wenn's dann zu schnulzig wird, sind ein paar Songs doch zu ähnlich; da mache ich dann auch meistens irgendwann aus. In dieser Hinsicht finde ich die Rocksongs auf "Riot City Blues" sogar besser, weil knackiger. Zu meiner "Verteidigung" kann ich allerdings anmerken, dass ich die Rolling Stones durchweg gerne höre; entsprechend liegen diese beiden Nostalgie-Alben natürlich auf einer ähnlichen Wellenlänge. Persönlich allerdings kann ich auch anmerken, dass ich "Screamadelica" zwar ganz gut finde, aber doch recht viele Stücke mir nicht so viel Spaß machen, also alles, was dann so ins Bunte-Pillen-Madchester-Gedudel abdriftet. Dagegen kann ich "Evil Heat" viel eher aus vollem Herzen empfehlen, eine eigentümliche Mischung aus Krautrock- und ElektroPunk-Einflüssen; viel Power auf dem gesamten Album. |
fuzzmyass Postings: 17448 Registriert seit 21.08.2019 |
2021-07-14 14:21:45 Uhr
Die Dicke Eier Rocksingles der Give Out fand ich damals ganz cool, XTRMNTR hatte ich damals nur kurz reingehört und fand es auch nicht übel, hatte mich aber nicht vertieft leider... bin generell sehr offen für die ganze Stilpalette :)Aber danke für die Tips, die More Light werde ich mal zumindest im Hinterkopf behalten und mir evtl. auch holen... |
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Referenzen
The Flaming Lips; Chemical Brothers; Tame Impala; The Jesus & Mary Chain; Ariel Pink's Haunted Graffiti; MGMT; The Rolling Stones; The Small Faces; The Black Crowes; The Dandy Warhols; The Soundtrack Of Our Lives; Whyte Seeds; Caesars; Kula Shaker; The Stone Roses; Inspiral Carpets; Happy Mondays; Kaiser Chiefs; Reef; Terrorvision; Stereophonics; The The; Cinderella; Nazareth; Hanoi Rocks; Quiet Riot; Bad Company; The Free; Grand Funk Railroad; Mr. Big; D:A:D; Jet; Towers Of London; The Flaming Sideburns; The Hellacopters; Backyard Babies; Hardcore Superstar; Mando Diao; The (International) Noise Conspiracy; The Icarus Line; Wolfmother; Frank Black; Powderfinger; Midnight Oil; Oasis; The Charlatans; Ride; Spiritualized; The Mock Turtles; Super Furry Animals; Gomez; Depeche Mode; Nine Inch Nails; The Cooper Temple Clause; Felt
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