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Karl Hyde - Edgeland

Karl Hyde- Edgeland

Universal
VÖ: 19.04.2013

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

In der Stadt, die es nicht gibt

Circa 50 Prozent der britischen Jugendlichen rauchen. Der Rest ist zu betrunken, um sich überhaupt eine anzuzünden. Doch was folgt dem Suff für gewöhnlich? Richtig: ein fetter Kater. Da besagte Briten leider nicht wissen können, wozu hierzulande Apotheker bei Kopfschmerz raten, empfehlen sie eben ihren Karl Hyde anstelle der drögen Pille danach. Weil Underworlds Spiritus Rector mit seinem Solo-Debüt "Edgeland" die kommodeste Ausnüchterungszelle gezimmert hat, die man sich wünschen kann. Noch dazu in der praktischen Packungsgröße N3. Kommen Sie also näher, kommen Sie heran, hier wird viel besser entgiftet als nebenan!

Soweit, so werbetextlerisch. Hält die zeitweilige Entsagung von den Tugenden seines obigen Tanzrudels denn überhaupt, was sie verspricht? Durchausestens. Jedenfalls wenn man Platons Höhlengleichnis berücksichtigt und Mr. Hyde zugesteht, dass er auch nicht schneller als sein Schatten schießen kann - oder aber seinen Erlebnishorizont auf eben jene Dunkelzonen des Großstadtlebens fokussiert. Denn dieses Album erzählt in einem völlig entschleunigten Duktus von den versteckten Schrulligkeiten der Weltmetropolen, die in den Hochglanzkatalogen der Touristikbranche stets unerwähnt bleiben. Den Blicken in versiffte Hinterhöfe, auf das fiebrige Treiben am Stadtrand und hinter die zweifelhaften Blumenrabatten der Spießerviertel. Von bizarren Begegnungen in der Nacht, fiesen Sinneseindrücken und den im Gebälk lauernden Geräuschen, die Hyde auf seinem Album in sequenzierte Poesie übertragen hat. Ein chaotisches, scheinbar zusammenhangloses Durcheinander fügt sich binnen einer Dreiviertelstunde zu einer höheren Harmonie zusammen. Da staunt der Wachmann und der Highe wundert sich.

Es ist kein Zufall, dass "The night slips us smiling underneath its dress" diesen tiefenentspannten Reigen eröffnen darf - bietet das Stück durch seine treuherzig umherwandernde, in Watteschuhe gepackte Kickdrum, eine schüchtern kreuzende Stromgitarre und mittels sehnsüchtigem Kreisen des Gesangs doch eine allzu dankbare Brücke zu Hydes eigentlichem Betätigungsgelände. Danach setzt dieser sich jedoch liebend gerne wiederholt an den speckigen Straßenrand: "Erst mal eine rauchen, einen Schluck von dem verdammt guten Kaffee und die Eindrücke sacken lassen, kann ja nix schiefgehen."

Der Lümmel behält in seiner stoischen Ruhe tatsächlich recht! "The boy with the jigsaw puzzle" als sein desorientierter Zeuge klingt zwar, als sei Morrissey über Nacht versehentlich in einem Elektrofachmarkt eingeschlossen worden und vergreife sich nunmehr spielerisch an den Exponaten, ohne sie zu verstehen. "Shadow boy" als heimliches Epizentrum dieses seismischen Nervenkitzels lässt sich davon aber in keiner Weise beirren. Schlussendlich sind es die bereits von früheren Underworld-Alben bekannten Meditationen mit angezogener Handbremse, die das Leitmotiv der meisten Songs bilden und sie zu einem majestätischen Gesamterlebnis machen. Wirkliche Überraschungen mögen zwar ausbleiben und die berüchtigten Shitstorms erlebnishungriger Fans in den einschlägigen Foren dräuen, können aber diesen Säemann gewiss nicht mehr erschüttern. Der Kerl weiß, was er bleiben lässt.

(Andreas Knöß)

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Highlights

  • The night slips us smiling underneath its dress
  • The boy with the jigsaw puzzle
  • Shadow boy

Tracklist

  1. The night slips us smiling underneath its dress
  2. Your perfume was the best thing
  3. Angel café
  4. Cut clouds
  5. The boy with the jigsaw puzzle fingers
  6. Slummin' it for the weekend
  7. Shoulda been a painter
  8. Shadow boy
  9. Sleepless

Gesamtspielzeit: 43:13 min.

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