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Ethan Johns - When not now, when then?

Ethan Johns- When not now, when then?

Three Cows / Rykodisc / Warner
VÖ: 06.04.2013

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Kampf der Bärte

Meist genügen die Worte "Wenn Produzenten Musik machen", und die Augen beginnen zu rollen. Ein Schelm, wer jetzt nicht an Timbaland und dessen Verstümmelung und Demontage kontemporärer Musik sowie alteingesessener und neuer Helden denkt, etwa Chris Cornell oder Justin Timberlake. Genau genommen war das alles doch halb so schlimm, die Brötchen wurden bei weitem nicht so heiß gegessen wie gebacken. Cornells "Scream" und Timberlakes "Futuresex/Lovesounds" sind toughe Platten. Dies eingedenk kann man Ethan Johns mehr als vorurteilsfrei entgegentreten, der vor allem als Mann im Hintergrund bekannt wurde, indem er Bands wie The Boxer Rebellion, Kings Of Leon oder dem großartigen Ryan Adams seinen einmaligen Soundstempel aufdrückte. Vielen verhalf Johns zu ihren besten Alben. Wenn die graue Eminenz hinter dem Vorhang hervortritt, heißt es, aufmerksam zu sein. Und was geboten wird, ist rührende Schönheit und karge, höchst durchdachte, minimalistische Brillanz.

Was bei Johns zuerst ins Auge sticht, sind sein beeindruckender Bart sowie sein gewählter Albumtitel. Vorerst zum Bart. Bärte sind gut. Bei Johns reicht es zu einer gehörigen Portion Stattlichkeit, wie bei Mr. E. von den Eels. Wie E. geht auch Johns mit seiner Musik sehr nachdenklich zu Werke, die zehn Kompositionen von "If not now, when then?" versinken förmlich in Reflexionen über das Selbst, die Welt, die Stellung dieses Selbst in der Welt, seiner Träume, Wünsche und Ängste. Kaum auszumalen, wie ein "Celebrity Deathmatch" dieser beiden Bärte aussehen würde, besonders im Ring der martialischen Knetmasse. Dieser Wunsch lässt sogleich beim Titel des Solo-Debütanten Johns verharren. Musikliebhabern dürfte er hinreichend bekannt vorkommen. Gab es da nicht schon 2011 ein Album mit dem anrufenden Namen "If not now, when?" einer Lieblingsband namens Incubus? Es ist schön zu verfolgen, wie Künstler zeichenhaft zu einem präsentischen Aktivismus aufrufen: Die Zeit ist immer jetzt. Was bei Incubus eine Abwendung von den eigenen Wurzeln bedeutete, weil sie längst schon ihre Baumkrone zum Erblühen brachten, heißt bei Johns, den Blick auf das Entstehen im Hier zu richten.

"Goodbye cruel world hello sunshine", singt der Brite im Opener "Hello sunshine". Keine Effekte, einzig pure pathoslose Emotionalisierung. Damit bannt Johns in etwa ein ähnlich rührendes Stück Musik auf Makrolon wie seinerzeit Super Furry Animals mit ihrem gleichnamigen Opener von "Phantom power". "This prison of fear will hold us no more", heißt es weiter mit ruhiger, sonorer Stimme, begleitet von einer Akustikgitarre und einem Melotron. Wenn im Auftakt die Welt hinter sich gelassen wird, ist das einzige Ziel vermutlich "Eden", welches Johns nach dem hämisch angerotzten "Morning blues" schon in Lied drei erreicht. Wo im "Morning blues" standhaft "I don't mind you grinning in my face" proklamiert wird, heißt es im klaviergetragenen "Eden", das mit einem markigen Gitarrensolo sogleich das Hörerherz zu brechen imstande ist: "We give our time, we give our lives."

Mit "Red rooster blue" stiehlt Johns sogleich die Butter, die er vor gut einer Dekade seinem Protegé Ryan Adams mit "Gold" auf die Schrippen schmierte, dringt mit "Rally" in saftige Americana-Gefilde ein, wie sie ähnlich Mark Lanegan vor gefühlten Jahrhunderten mit seinem Jahrzehntsong "Carnival" beackerte und landet mit "Don't reach too far" im saumseligen Sixtiespop. Dazwischen gibt es nur das Beste aus allen genannten Richtungen.

Wenn Johns schlussendlich mit "The long way round" zum emotionsgefluteten, tiefdunkelmelancholischen Abschluss von "When not now, when then?" ausholt, ist es sonnenklar, dass der Johnssche Bart im Knetgummi-Todeskampf den des Eels-Frontmannes in Grund und Boden prügelt. Wenn Bärte bloß Fäuste hätten.

(Peter Somogyi)

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Highlights

  • Hello sunshine
  • Morning blues
  • The long way round

Tracklist

  1. Hello sunshine
  2. Morning blues
  3. Eden
  4. Red rooster blue
  5. The turning
  6. Rally
  7. Don't reach too far
  8. Whip poor will
  9. Willow
  10. The long way round

Gesamtspielzeit: 36:34 min.

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