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OMD - English electric

OMD- English electric

BMG / Rough Trade
VÖ: 05.04.2013

Unsere Bewertung: 5/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Mittlere Eisenbahn

Die Zukunft ist nicht mehr das, was sie mal war. Wissen auch Andy McCluskey und Paul Humphreys - und üben sich seit ihrer Reunion auf "History of modern" in Rückgriffen auf die frühen achtziger Jahre, als gleißende Analog-Elektronik und Gebrabbel aus dem Sprachprozessor noch als angesagte Kontrastmittel zu sehnsuchtsvollen Popmelodien galten. Und sich noch niemand träumen ließ, dass 30 Jahre später praktisch jeder mit Smartphone (womit?) herumlaufen würde. OMD jedenfalls hatten offenbar anderes erwartet und lassen im Intro eine freundlich-resolute Computerstimme verkünden: "The future you expected has been cancelled. Please remain seated and wait for further instructions." Dabei dürfte das Duo doch nur zu gut wissen, dass Stillsitzen schwerfällt bei der folgenden Single und ihren satten, zeitgemäß tiefergelegten Beats.

Das war es aber auch schon mit der Aktualität: Den Rest der siebeneinhalb Minuten "Metroland" schwelgen OMD in strahlenden Harmonien und kleinen Daddelsequenzen, während McCluskeys Gesang über rückwärtsgerichtete Technikutopien gewohnt wie Butter ins Ohr schleicht. Das dazugehörige Video zeigt naiv animierte Landschaften, in denen brave Bürger ihren Kleingarten beackern und Doppelhaushälften und Autobahnen wie Pilze aus dem Boden schießen. Dazu braust eine Eisenbahn voll geklont wirkender, den Anonymous-Maskenträgern latent ähnlicher Herren durch die Szenerie, als hätte Ralf Hütter erst gestern im Interview seine zentralen Themen mit den Worten "singende Autos, Züge, klingende Metalle" beschrieben. Mehr Kraftwerk geht schwerlich. Ausgezeichnet.

Neben den inzwischen zur Kunstinstallation gewordenen Düsseldorfern fühlen sich OMD aber auch deren Einzelteilen verbunden. Etwa dem Ex-Mitglied Karl Bartos, auf dessen Elektric-Music-Album "Esperanto" McCluskey bereits 1993 die herzzerreißende Synthie-Ballade "Kissing the machine" sang. Und das Stück ist so erstaunlich gut gealtert, dass es auf "English electric" nochmals auftaucht. Eine so nachvollziehbare wie nötige Maßnahme, weil OMD auf die Länge gesehen diesmal einiges ihres anachronistischen Charmes flöten geht. Denn wo Pausenzeichen-Plöng, Radiodurchsagen und isolierte Stimmmodulationen 1983 auf "Dazzle ships" noch progressive Soundnovitäten waren, wirken sie hier nur mehr wie lose Enden. Erschwerend kommt hinzu, dass den beiden anscheinend einfach weniger gute Songs eingefallen sind als sonst.

"Night café" und "Stay with me" sind wenig mehr als betulich-gepflegte Schnulzen, während "Helen of Troy" nur vordergründig "Maid of Orleans" exhumiert und in Wirklichkeit McCluskeys geschiedener Frau nachtrauert - allerdings zu abgespecktem Arrangement, das der emotionalen Qualität arg hinterherhinkt. Doch bevor zu viel den Bach heruntergeht, packt der Sänger endlich wieder seine knurrende Bassgitarre aus und intoniert den herrlichen Uptempo-Kracher "Dresden" - egal ob Bombenabwurf-Assoziationen analog zum Hiroshima-Hit "Enola Gay" beabsichtigt sind oder nicht. Gegen Ende also doch noch ein wunderbarer Hit, der die oft herrschende Inspirationslosigkeit aber nur notdürftig überdeckt. Da böte sich für diese Rezension glatt die zigfach ausgelutschte Überschrift "Zurück in die Zukunft" an. Doch wir wollen mal nicht so sein.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Metroland
  • Kissing the machine
  • Dresden

Tracklist

  1. Please remain seated
  2. Metroland
  3. Night café
  4. The future will be silent
  5. Helen of Troy
  6. Our system
  7. Kissing the machine
  8. Decimal
  9. Stay with me
  10. Dresden
  11. Atomic ranch
  12. Final song

Gesamtspielzeit: 43:03 min.

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  • OMD (64 Beiträge / Letzter am 29.08.2014 - 23:04 Uhr)

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