Sven Regener & Leander Haußmann - Hai-Alarm am Müggelsee
Vertigo / Universal
VÖ: 15.03.2013
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Gebissig
Euphemistische Umschreibungen sind eine der vielen Spezialgebiete, die Sven Regener nach Belieben beherrscht. So trifft auch das Prädikat "Endemische Filmmusik" ins Schwarze, welches er dem Soundtrack zum "Hai-Alarm am Müggelsee", den der Kopf und Sänger von Element Of Crime zusammen mit Leander Haußmann derzeit in die deutschen Kinos bringt, verleiht. Denn wie der Kinostreifen wird auch die zugehörige Musik mit kleinem Budget ausgestattet und provinziell in Szene gesetzt. Viel mehr als die in Haußmanns Haus am Ufer des Müggelsees herumliegende Akustikgitarre und Mundharmonika waren nebst der kleinstädtischen Landschaft des Berliner Randbezirks Friedrichshagen nicht nötig für die Basis dieses behäbig-kauzigen Soundtracks.
Für alle Freunde der Regenerschen Alltagslyrik liefert die Filmmusik allerdings nur wenig neue Kostproben. Lediglich sechs Stücke der Platte haben überhaupt Text. Dabei beschränkt sich das "Hai-Alarm Thema" sehr konsequent auf das Wiederholen des Panik-induzierenden "Hai-Alarm am Müggelsee"-Ausrufs. Und "Vespa" liefert das Duo Apples In Space zu. Mit englischsprachigem Text kommt der Song von Haußmanns Sohn Phil und seiner Duettpartnerin Julie Mehlum ohne Regener aus, fügt dafür aber dem Lagerfeuer-Liedermacherkreis eine kurzweilig gelungene Abwechslung bei.
Zumindest aber im "Lied vom Hai", im "Friedrichshagenlied" und im "Lied vom Städtemarketing" singt Regener Zeilen, an denen sich die Gemüter sicherlich ähnlich scheiden werden, wie auch am Anspruch des trashigen Films: "Städtemarketing steht und fällt mit der Kompetenz / Der Leute die sich für so etwas interessieren" - trockern, nüchtern und gewohnt bissig. In "Die große Ballade vom Hai-Alarm am Müggelsee" wird in einer fast viertelstündigen Moritat die Storyline des Films zusammengefasst und Snake Müller, dem tapferen Hai-Jäger und Protagonisten aus Hawaii, wohl auch aus Ehrfurcht, die einzige Rhythmusgruppe der Platte spendiert.
Ansonsten sind die Stücke sehr bescheiden instrumentiert und an einfachen Folk- und Bluesstücken orientiert. Während sich das in den Text-transportierenden Liedern durchaus gut einfügt, tritt vor allem Haußmanns quietschige Mundharmonika in den Instrumentalstücken doch oft auffallend nervtötend in den Vordergrund. Zum Film, der halb Abgesang, halb Hommage auf das klein- und wutbürgerliche Streben nach Aufmerksamkeit ist, passt dieser bewusste Hang zum Schiefen mit Sicherheit. Für den eigenständigen Soundtrack kommt aber doch der Wunsch auf, die beiden Kreativen hätten noch andere Mittel gefunden, um die bilderbuchhafte Einöde des von Treptow und Köpenick annektierten Berliner Stadtteils, einzufangen. So hat der Haifisch schon einige Zähne verloren.
Highlights
- Vespa (Apples In Space)
- Das Friedrichshagenlied
- Die große Ballade vom Hai-Alarm am Müggelsee
Tracklist
- Fröhliches Thema III
- Das Lied vom Hai
- Verträumtes Thema III
- Hai-Alarm Thema
- Fröhliches Thema I
- Vespa (Apples In Space)
- Verträumtes Thema I
- Streichelzoo und Lagerfeuer
- Das Lied vom Städtemarketing
- Arbeitskreisblues
- Das Friedrichshagenlied
- Sirtaki Müggelseedamm
- Die große Ballade vom Hai-Alarm am Müggelsee
Gesamtspielzeit: 43:35 min.
Referenzen
Element Of Crime; Ed Csupkay; Willie Nelson; Neil Young; Bob Dylan; Leonard Cohen; Lyle Lovett; Ryan Adams; Whiskeytown; Lee Hazlewood; Tom Waits; The Byrds; Neil Diamond; Johnny Cash; Tom Liwa; Flowerpornoes; Nils Koppruch; Fink; Kid Kopphausen; Jochen Distelmeyer; Blumfeld; Gisbert zu Knyphausen; Niels Frevert; Nationalgalerie; Stoppok; Rio Reiser; Lambchop; Wilco