Colt Silvers - Red panda
Deaf Rock / Snowhite / Rough Trade
VÖ: 22.03.2013
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Ein Hit für alle Fälle
Nichts fasst die Schattenseiten der Achtziger Jahre treffender zusammen als die Klaviaturkrawatte: Jawohl, in der Mode wie in der Musik galt es seinerzeit einiges zu ertragen. Modern Talking sangen wie schwule Mädchen, beriefen sich dabei auf die "Kopfstimme" als ernstzunehmende Gesangstechnik und trugen indes das Umhängekeyboard wie ein modisches Accessoire um den Hals. MC-Hammer-Sackhosen, Föhnfrisur und Dauerwelle, Wham!, Frankie Goes To Hollywood – es scheint, als hätte in Popkultur jener Tage die allgemeine Geschmacksverirrung vorgeherrscht. Wenigstens das Fernsehen gab noch Identifikationsfiguren her: So zum Beispiel Colt Seavers, der ewige Stenz, Stuntman und Kopfgeldjäger, für alle Fälle gewappnet. Den kann man schon cool finden. Zum Beispiel als französischer Dyslektiker.
Spaß beiseite, es wird schon seine Gründe haben, warum Colt Silvers ihren Bandnamen höchstens in Anlehnung an den TV-Held wählten. Tatsächlich lässt sich aber modisch wie musikalisch eine gewisse Achtziger-Affinität des Trios erkennen. Sonnenbebrillt, mit bunt-schrillen, popper-typischen Polohemden gekleidet, die Fernbedienungs-Casio ums Handgelenk und die Commodore-Tastatur fest im Griff posieren Colt Silvers fürs Pressefoto. Ihr Debütalbum "Red panda" malt eine Synthie-Landschaft nach Achtziger-Schablone: Schon der Opener "Sound of silence" beginnt mit künstlichen Bläsern und Saiten, ehe ein peppiger Beat einsetzt und letztlich der einprägsame Chorus das Ruder übernimmt. Eine ganze Gang von Ohrwürmern schippert auf dem Langspiel-Kreuzer und umschifft dabei gekonnt jede noch so gefährliche Kitschströmung. Genauso läuft es auf "Red panda" und es läuft großartig.
Einmal gehört, lässt "Hide and seek" lange Zeit nicht mehr los. Diese vier, fünf Töne, die das Grundgerüst des Titels bilden, sorgen nicht nur für eine ungemein einprägsame Melodie, sondern auch für einen äußerst veritablen Hit. "Peaches" thematisiert, begleitet von eleganten weiblichen Vocals, die Verlustängste eines Paares und formuliert diese drastisch: "We'll be nowhere to be found I fear." Ein charmantes, gemeinsam gesungenes "lalala", untermalt von einer traurigen Synthetik-Trombone sagt wehmütig "Goodbye" und leitet zum nicht weniger starken "Werewolves" über. Ein Instrumentalstück im dunklen Elektro-Dschungel, gejagt von nächtlichen Schreckensfiguren, läutet adrenalinschwanger die Tanznacht ein. Wahrscheinlich gibt es schlicht kein Wort, welches die totale Obligation derart präzise beschreibt wie das deutsche "Zugzwang". Der Titel beschreibt eine Flucht als schicksalhafte Folge einer unumgänglichen Entscheidung. Impulsiv und antreibend instrumentiert schenkt der anklagende Refrain dem Protagonisten neue Kraft, sodass dieser dem beklemmenden Tal der Hilflosigkeit zu entrinnen vermag. Von sanften Piano- und Gitarrenklängen begleitet, wirft er noch einen letzten Blick zurück, bis ein leises Rauschen von seiner endgültigen Entfernung zeugt.
Gesanglich und durch seine schmissigen Hooklines erinnern Colt Silvers häufig an die schmerzlich vermissten The Robocop Kraus. "Red Panda" schafft hier Abhilfe und öffnet den Horizont hinsichtlich neuer musikalischer Erfahrungen. Das Trio macht dabei im Grunde genommen das Gleiche wie Hurts, nur ohne im Jammer-Äther zu versinken und den Klage-Pathos fingerdick auf die Hörerschrippe zu schmieren. Wo die Landsmänner von Phoenix gern direkt auf dem Silberstreif am Horizont surfen, zeigen Colt Silvers diesen zunächst einmal auf, bevor sie sich mit voller Leidenschaft hineinstürzen, um sich im nächsten Stück wieder am eigenen Schopfe aus dem Treibsand zu ziehen. Vom Dunklen ins Helle und wieder zurück – wie auf der Klaviaturkrawatte. So schick war das Ding noch nie.
Highlights
- Season of silence
- Hide and seek
- Peaches
- Zugzwang
Tracklist
- Season of silence
- As we walk
- Hide and seek
- Silver horses
- Summer and fall
- Panda romance
- Youth
- Peaches
- Werewolves
- Above the ocean
- Zugzwang
- Anywhere we go
- Sometimes
- Stories
Gesamtspielzeit: 50:18 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Facepalm |
2013-11-11 12:25:58 Uhr
anyone?Jemand, der so etwas schreibt, verdient keine Antwort. |
lego Postings: 1299 Registriert seit 13.06.2013 |
2013-11-11 11:47:01 Uhr
es ist schon erstaunlich, dass hier ein Album mit einer 8/10-Wertung nicht mal einen Thread hat. mittlerweile höre ich es immer mal wieder gerne."Hide and Seek", "Seasons of Silence" sind die offensichtlichen Hits. Aber auch die anderen Titel genügen hohen Ansprüchen. anyone? |
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Referenzen
The Robocop Kraus; Electric Suicide Club; Foals; Liquid Liquid; Talking Heads; Everything Everything; Radiohead; Hurts; Alt-J; Grizzly Bear; Phoenix; Hot Hot Heat; Bloc Party; The Futureheads; Beat! Beat! Beat!; Of Montreal; The Rapture; LCD Soundsystem; Hard-Fi; The Killers; OK Go; Justice; Editors; Interpol
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