The History Of Apple Pie - Out of view
Marshall Teller / Rough Trade
VÖ: 08.02.2013
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Süßes und Saures
"Hätt' ich Dich heut erwartet, hätt' ich Kuchen da." Tja. Hätte, hätte, Fahrradkette. Die Geschichte der Torte ist eben eine Geschichte voller Missverständnisse. Besonders bei The History Of Apple Pie, denn wenn die zwei Mädels und drei Jungs aus London erst einmal loslegen, versteht man in der Tat sein eigenes Wort nicht mehr. Immerhin unmissverständlich war das Mitmusikergesuch, das Sängerin Stephanie Min und Gitarrist Jerome Watson bei einem Kleinanzeigenportal aufgaben: In diesem bekamen die potenziellen neuen Bandmitglieder zwar keine zuckrigen Backwaren, dafür aber jede Menge "noisy pop" in Aussicht gestellt. Ist doch auch was.
Die Welt von Min, Watson und Kollegen ist bei allem Lärm nämlich genauso bunt und knuffig wie der in die Jahre gekommene Kleinbus auf dem Cover, dessen Kennzeichen launigerweise ein Akronym des Bandnamens zeigt. "Out of view" speist sich dabei aus vielen Dingen, die den Indie-Popper seit über 25 Jahren begeistern: Die lieblich angekrachten C86-Auswüchse von The Primitives oder Shop Assistants sind genauso präsent wie feedbackgetränkter Shoegaze und die delikate Verbindung von Twee-Pop und Noise-Rock, die The Pains Of Being Pure At Heart pflegen. Also klebrige Leckereien und Effektpedale bereithalten: Hier gibt es sowohl Süßes als auch Saures.
Schon im Opener "Tug" wuselt und schrammelt es gehörig, während Min zauberhaft verwaschene Vocals ins Mikro haucht und der Song in einer Reverb-Schlaufe verpufft. Gleich darauf erklopft sich "See you" mit Schellenkranz und frohlockenden Riffs einen swingenden Rave-Rock-Refrain und schmachtet den Zukünftigen so lange an, bis sich auch die steifste Schlagsahne verflüssigt. Star der betörenden Single "Mallory" ist hingegen nicht die Frontfrau, sondern die frenetisch zwirbelnde Leadgitarre - da hätte sicher auch J Mascis sein letztes Stück Himmel verwettet, dass britische Twentysomethings das so nicht hinkriegen wie er. Falsch gewettet, hervorragend gefiept.
Und so vergisst man schon nach drei Stücken vor lauter Frühlingsgefühlen, Bubblegum und Ohrensausen, dass dieses Album im Grunde ein einziger großer Rückgriff auf all die feuchten Träume ist, die andere Bands bereits durch ihre rotglühenden Verstärker jagten, als The History Of Apple Pie vermutlich noch nicht einmal auf der Welt waren. Doch interessiert das, wenn "Glitch" groovigen Sägezahn-Pop feiert, der frenetische Punkrock-Reißer "Do it wrong" mit 180 Sachen um die Ecke biegt und Min wiederholt "You're so cool" beteuert? Keineswegs natürlich. Denn womöglich ist man ja selbst gemeint. Vielleicht kommt gleich gar Besuch? Gut, dass Kuchen im Kühlschrank ist.
Highlights
- See you
- Mallory
- Glitch
- Do it wrong
Tracklist
- Tug
- See you
- Mallory
- The warrior
- Glitch
- You're so cool
- I want more
- Do it wrong
- Long way to go
- Before you reach the end
Gesamtspielzeit: 42:55 min.
Referenzen
Evans The Death; Allo Darlin’; Lush; My Bloody Valentine; The Primitives; This Many Boyfriends; Ballboy; Shop Assistants; The Motorcycle Boy; Talulah Gosh; The Darling Buds; The Flatmates; The Pastels; Bearsuit; Sonic Youth; Dinosaur Jr.; Broken Water; Paws; Spector; Mazes; Yuck; Parakeet; Tender Trap; Dum Dum Girls; Frankie Rose; La Sera; Veronica Falls; Slowdive; Mazzy Star; Crystal Stilts; Ride; Ikons; The Stone Roses; Ultra Vivid Scene; Adorable; Asobi Seksu; The Pains Of Being Pure At Heart; Trembling Blue Stars; Slumberparty; All Girl Summer Fun Band; Kim Baxter; Teen; Elastica; Sleeper; Echobelly; Camera Obscura; Free Loan Investments; Those Dancing Days; Tullycraft; Los Campesinos!; Blonde Redhead; Savages; Comet Gain; The Vaselines; Superchunk; Be Your Own Pet