Ólafur Arnalds - For now I am winter

Mercury Classics / Universal
VÖ: 01.03.2013
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Eine feine Nachtmusik
Manche Stories sind so gut, dass man sie sich nicht einmal ausdenken könnte. Vor knapp zehn Jahren startete die Karriere des Isländers Ólafur Arnalds auf wundersame Weise: Er komponierte ein paar Melodien für die deutsche Metalband Heaven Shall Burn, die auf ihn aufmerksam geworden war, weil er selbst der Schlagzeuger einer Metalband war. Irgendjemand vom Label fand Arnalds' erste klassische Stücke so gut, dass man ihn um mehr in dieser Art bat. 2007 erschien mit "Eulogy for evolution" das erste Album des mittlerweile 26-Jährigen, und über zu wenig Output können sich seine Fans wahrlich nicht beschweren: Fünf EPs, drei Filmscores und zwei Alben umfasst seine Diskografie bereits, dazu noch unzählige Kollaborationen mit Künstlern wie Nils Frahm. Nach dem Zweitlingswerk "...And they have escaped the weight of darkness" folgt mit "For now I am winter" nun das dritte Album, und zu seiner altbewährten Formel gesellen sich ein paar Neuerungen.
Den Fortschritt des Albums hielt Arnalds auf diversen sozialen Netzwerken fest und teilte ihn mit Freunden und Anhängern, sodass sich bereits im Vorfeld einige Besonderheiten andeuteten. Zu der gewohnten Mischung klassischer und elektronischer Elemente, die er mittels Klavier, Streichern und einem Notebook auf die Bühne bringt, gibt es auf "For now I am winter" erstmals auch Gesang zu hören. Trotz einer kleinen Vorahnung ist die Überraschung daher groß, wenn im Titelsong plötzlich die Stimme von Gastsänger Arnór Dan erklingt, die auf vier der insgesamt zwölf Stücke auftaucht, worüber womöglich einige Liebhaber der bisher rein instrumentalen Musik die Nase rümpfen werden. Auch im darauffolgenden "A stutter" ertönt Dans Gesang - er steht hier vor gar einer zerbrechlichen orchestralen Wand klar im Vordergrund, und es wirkt fast, als verstecke sich Arnalds mitsamt seinen Streichern hinten in der Ecke, um diesem zusätzlichen neuen Instrument den größtmöglichen Platz zu lassen.
Einen vollkommen anderen Weg schlägt das bereits vorab bekannte "This place was a shelter" ein. Deutlich stürmischer geht es hier zu, computergenerierte Soundbrocken vermischen sich mit hektischen bis dramatischen Geigen als Antriebswerkzeug, während ein tiefer, düsterer Beat für zusätzliche Beklommenheit sorgt. Gegen Ende bleibt nur das Klavier übrig, als wolle es den aufgebrachten Körper wieder beruhigen. Ganz klar: Das Spiel mit den Emotionen hat Arnalds auf seinen bisherigen Werken mittlerweile perfektioniert. Stücke wie der Opener "Sudden throw" oder auch das herzzerreißende "Hands, be still" erinnern gleichermaßen an die Vorgänger "Eulogy for evolution" und "...And they have escaped the weight of darkness", während "Old skin" dank seiner etwas poppigeren Note sicher Mut gekostet hat. Der Versuch glückt jedoch auf ganzer Linie, nicht zuletzt dank Dans grandiosen Einsatzes.
Wenn es jedoch etwas gibt, das Arnalds bereits von der ersten Sekunde an beherrschte, sind es die gelungenen Schlussakte. Sei es das gleichzeitig brachiale und grazile "3704 / 3837" auf "Eulogy for evolution", das euphorische Ende von "...And they have escaped the weight of darkness" mit "Þau hafa sloppið undan þunga myrkursins" oder natürlich "Ljósið" und "Himininn er að hyrnja, en stjörnurnar fara þér vel" von den EPs "Found songs" und "Variations of static" - Arnalds wusste stets, wie der meisterliche Abgang funktioniert. Das ist auf "For now I am winter" nicht anders: Zwar startet "Carry me anew" so sacht und leise, das man es zunächst kaum wahrnimmt. Ein einziger eindringlicher Ton entfaltet sich zum Schluss jedoch gewaltig und könnte gleichzeitig die Musik sein, die man zum Sonnenuntergang und Sonnenaufgang hören mag. Der Soundtrack für eine perfekte Nacht.
Highlights
- A stutter (feat. Arnór Dan)
- Hands, be still
- We (too) shall rest
- This place was a shelter
- Carry me anew
Tracklist
- Sudden throw
- Brim
- For now I am winter (feat. Arnór Dan)
- A stutter (feat. Arnór Dan)
- Words of Amber
- Reclaim (feat. Arnór Dan)
- Hands, be still
- Only the winds
- Old skin (feat. Arnór Dan)
- We (too) shall rest
- This place was a shelter
- Carry me anew
Gesamtspielzeit: 48:20 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Herder Postings: 1837 Registriert seit 13.06.2013 |
2016-01-12 20:51:45 Uhr
Es schneit... und dazu dieses Album. Ich bin gerade ganz hin und weg. Toll auch die gesammelten Arbeiten mit Frahm, die Ende letzten Jahres erschienen sind. |
Wolf |
2014-09-16 18:21:30 Uhr
Ich finds auch besser als die vorherigen Sachen. Weiter so. Kommt bald was? |
Homunculus |
2013-03-28 13:11:15 Uhr
Nicht schlecht, insgesammt aber zu pathetisch,extrem dick aufgetragene Melancholie und Verlorenheit, als gäbs kein morgen mehr.Ist mir zu gewollt und konstruiert..trotzdem mal reinhören |
Yukon |
2013-03-27 21:22:25 Uhr
Gutes neues Album, teils Soundtrack, teils sigurrosig. Poppiger als zuvor. Thumbs up |
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Referenzen
Nils Frahm; Peter Broderick; Sigur Rós; Kjetil Bjørnstad; Yann Tiersen; Tarantula A.D.; Amiina; Johánn Johánnson; Skúli Sverisson; Hilmar Örn Hilmarsson; Frakkur; Max Richter; Brad Mehldau; Simeon Ten Holt; Didier Squiban; Joanna Newsom; Godspeed You! Black Emperor; Mono; Shadow Parade; Under Byen; Rothko; Krauka; Bugge Wesseltoft; Veljo Tormis; Samuel Barber; Jean Sibelius; Edvard Grieg; Erik Satie; Trond Kverno; Knut Nystedt; Explosions In The Sky; Set Fire To Flames; A Silver Mt. Zion; Esbjørn Svensson Trio; Bilits; Hans Zimmer; Danny Elfman; Clint Mansell; Eleni Karaindrou; Lefteris Chalkiadakis; Madredeus; Priestbird; Angelo Badalamenti; The Dust Dive; Tenhi; Kytäjä; Ake Malmfors; David Wikander; Hildor Lundvik; Polmo Polpo; Sébastien Tellier; Clannad
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