Amateur Best - No thrills
Double Denim / Rough Trade
VÖ: 15.02.2013
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Lautmalerei
Hach, schön. Noch ein nettes Retro-Dancepop-Album für schönes Wetter und gute Laune, als Hintergrundmusik für den Frühjahrsputz oder Gute-Laune-Generator beim Autofahren. All das verspricht der Beginn von "Ready for the good life", das mit verspielten Synthesizern "No thrills" eröffnet. Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. Denn nach wenigen Takten tritt Joe Flory alias Amateur Best ans Mikrofon und disqualifiziert "No thrills" als unaufmerksam wahrgenommenes Hintergrundgedudel schlagartig. Diese Stimme! Plötzlich ist sie da, steht über allem anderen und wirkt gleichzeitig unglaublich verletzlich, angreifbar, unsicher. Es ist das James-Blake-Rezept, das Flory sich aneignet: Er wagt stimmliche Nacktheit, verzichtet auf eine künstlich fette Produktion seiner Gesangsparts und auch die klangliche Ähnlichkeit legt den Vergleich zu Blake nahe. Von Stilkopie kann aber nicht die Rede sein - Flory weiß sehr genau, dass er musikalisch anderswo zuhause ist.
Tanzbarer Pop soll es sein, große Hooks und deepe Electronica-Klänge, aber alles mit einer angenehm warmen, handgemachten Note. Obwohl Florys Texte diese Sorglosigkeit nur bedingt unterstützen, ist "No thrills" zweifelsohne "Ready for the good life". Die meisten Instrumentals strotzen vor Energie und guter Laune und machen das Album angenehm leicht verdaulich, werden aber zu keiner Zeit flach. Nur "Pleased" fehlt ein wenig der Antrieb, und "In time" tänzelt zwar fröhlich voran, hätte aber kompakter geraten, schneller zum Punkt kommen können. Doch spätestens mit "Be happy" geht es elegant fließend wieder aufwärts, und der Titeltrack schließlich sorgt für ein furioses Finale. Die großen Highlights aber stehen am Anfang. Besagter Opener, unterstützt von Chilly Gonzales am Piano, spielt dermaßen beschwingt die Stimmungskanone, dass das folgende "Too much" erst einmal ein benommen taumelndes Saxophon zur Ruhe zwingen muss, bevor der Song etwas entspannter, aber nicht weniger melodieverliebt gen Horizont groovt.
Auch wenn "No thrills" unendlich lässig klingt, war sorgloses Musizieren für Joe Flory lange Zeit keine Selbstverständlichkeit. Sein erster Einstiegsversuch in die Musikindustrie misslang vor einigen Jahren gehörig. Unter dem Namen Primary 1 versuchte er sich an einem Debütalbum bei der Warner-Tochter Atlantic Records - und zerbrach daran, das Major-Label war nichts für ihn. Kreative Erfüllung fand Flory von da an im Zeichnen von Online-Comics und wurde dabei persönlicher, als er es als Musiker jemals gewagt hätte. Auch "No thrills" gelangt nicht auf die gleiche intim autobiographische Ebene wie seine Zeichnungen, ist aber das Ergebnis einer langen Entwicklung von der bildenden Kunst zurück zur Musik. Angefangen hatte die mit 7"-Singles, die Flory ergänzend zu seinen Comics veröffentlichte. Inzwischen sind die Rollen getauscht, Flory präsentiert seine Zeichenkünste im Video zu "Ready for the good life" und beweist: Musikindustrie ist heilbar - und die Heilung ansteckend.
Highlights
- Ready for the good life
- Too much
- No thrills
Tracklist
- Ready for the good life
- Too much
- Villas
- The wave
- Pleased
- In time
- Walk in three
- Be happy
- Get down
- No thrills
Gesamtspielzeit: 37:18 min.
Referenzen
Primary 1; Hot Chip; Hooray For Earth; When Saints Go Machine; Yeasayer; Cut Copy; James Blake; Cymbals; New Build; Future Islands; Passion Pit; Nightlands; Son Lux; Van She; How To Dress Well; Burial; Twin Shadow; David Bowie; Indians; Sacred Caves; The Cure; Social Studies; Ice Choir; New Look; Rough Fields; Jagwar Ma; Oscar & Martin; Astronauts, Etc.; Mano Le Tough; Opossom; PacificUV; Santigold