AnnaMy - Woodpecker
Subliminal / Broken Silence
VÖ: 15.03.2013
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Schnabelschau
Schon Wilhelm Busch hat es gewusst: Alte Bäume behämmert der Specht am meisten. Ein Album, das "Woodpecker" heißt, kann also im Grunde gar nicht anders, als instinktiv seine Kerben in vergangene Musikepochen zu meißeln. Die psychedelisch geformten Wurzeln eng mit dem Folk der späten Sechziger und frühen Siebziger verwachsen - man denke an Fairport Convention, Pentangle, Crosby, Stills, Nash & Young, aber auch an Fleetwood Mac. Dass die Gattung der Wendehälse eine Unterfamilie der Spechte ist, sei an dieser Stelle deshalb erwähnt, weil sich in naher Zukunft so mancher nach der jungen Schwedin umdrehen wird, die ihr Debütwerk "Woodpecker" ganz alleine komponiert und betextet hat. Anna Myrsten heißt die Dame, kommt aus Stockholm und hat ihren Namen zum etwas platzsparenderen Pseudonym AnnaMy fusioniert. Die Nähe zu "enemy" kann dabei nur ein niedlicher Scherz sein, schließlich wird Myrsten in den folgenden 38 Minuten unser aller Freundin.
Dass "Woodpecker" mit seinen nur acht Liedern überhaupt auf diese doch ganz ordentliche Spielzeit kommt, ist ausschließlich Myrstens gelegentlichem Hang zum elegischen Ausufern zu verdanken, der vor allem im sechseinhalbminütigen Titeltrack deutlich zum Vorschein kommt. Mystisch umwehte Klangszenarien, irgendwo zwischen wahnsinniger Erfinderwerkstatt, verlassenem Theater und Retro-Raumschiffstation. Und dann: Zwielichtige Gitarren, gesetzestreuer Harmoniegesang und ganz zum Schluss des Songs sogar ein pflichtbewusster Specht. Oder wird selbiger nur von einem ausgezeichneten Perkussionisten imitiert? Auf diesem Album klopft jedenfalls immer irgendetwas voller Hingabe. In den ersten Sekunden des Openers "Snowflakes" ein Metronom, im wunderbaren "Lovely words" die Hufe eines galoppierenden Schlagzeuges, während der gesamten Platte ein großes, goldenes Herz.
Analog und mit einer Menge nostalgischem Fingerspitzengefühl aufgenommen, verwundert es nicht, dass "Woodpecker" auch noch im natürlichen Lebensraum des Spechtes eingespielt wurde. Die "Silence Studios" liegen inmitten verwunschener Wälder, der angenehm natürliche Klang des Albums entspringt der Ruhe vor der Zivilisation. Ein Specht kann bis zu 20 Schläge pro Sekunde ausführen - so viele Beats schaffen Myrsten und ihre Musiker ungefähr pro Minute. Zugegeben: Ganz so langsam sind sie dann doch nicht. Aber die Schweden schwelgen gerne. Etwa in "Stegen", dem besten und einzig muttersprachlichen Stück der Platte, das nicht nur von einem wohl temperierten Klavier umrankt wird, sondern auch noch eine außerordentlich selbstbewusste Flöte tirilieren lässt. Auch das Finale "Too fast too far too fun" wirft sich in alle Arme und präsentiert Myrsten in kristallklarer vokaler Hochform. Was allerdings ungeklärt bleibt: Warum uns von ursprünglich 14 aufgenommenen Stücken ganze sechs Lieder vorenthalten bleiben. Man kann also nur auf das baldige Erscheinen eines zweiten Albums hoffen. Und dreimal auf Holz klopfen.
Highlights
- Stegen
- Lovely words
- Too fast too far too fun
Tracklist
- Snowflakes
- Care
- Stegen
- Woodpecker
- Dig my grave
- Come and sit
- Lovely words
- Too fast too far too fun
Gesamtspielzeit: 38:16 min.
Referenzen
Fairport Convention; Pentangle; Fleetwood Mac; Crosby, Stills, Nash & Young; First Aid Kit; Vashti Bunyan; John Martyn; Nick Drake; Joni Mitchell; Gram Parsons; Pete Greenwood; Blue Roses; Kyrie Kristmanson; Smoke Fairies; Emily Loizeau; Fleet Foxes; Midlake; The Bony King Of Nowhere; Alasdair Roberts; Angus & Julia Stone; The Cardigans; Adam Arcuragi; The Thrills; Edson; Simone White; Frida Hyvönen; The Magic Numbers; Mellow Candle; Trees ; Comus; Six Organs Of Admittance