Matthew E. White - Big inner

Spacebomb / Domino / GoodToGo
VÖ: 08.02.2013
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Alles arrangiert
Matthew E. White fällt aus so ziemlich jedem Zeitfenster. Optisch und musikalisch. Und er steht sich selbst (noch) am meisten im Weg. Der 30-Jährige aus Virginia ist so blass, er könnte sich in den Schnee legen und man würde vermuten, ein ZZ Top-Mitglied hätte seinen Bart verloren. White zählte sich selbst lange Zeit zu den Backgroundsängern, erst langsam erwuchs das eigene Vertrauen, aus der zweiten in die erste Reihe vorzudringen. Die ersten Gehversuche lassen nun erkennen, dass er für einen Country-Soul-Sänger vergleichsweise wenig Soul versprüht. In "Will you love" klingt er gar als habe man Bootsy Collins um 4 Uhr morgens zum Interview geweckt. Es braucht also mitunter einige Hördurchgänge, um zu begreifen, was für ein großartiges Solodebüt "Big inner" doch ist.
Wie das zusammenpasst? Wäre Whites Stimme ein Gegenstand, sie lebte wohl als Hängematte, relaxt hin- und herschaukelnd in und zu den Soundlandschaften. Das ist sein Metier. White, der Arrangeur. Nicht der Singer-Songwriter. Randy Newman verehrt er dafür, in den Arrangements mehr unterzubringen, als Texte aussagen können und sollen. In "Steady pace" schlummert seine vertonte Honorierung. Das ist die große Stärke von "Big inner": das Brechen mit linearen Formen, Blenden, die Songs ein zweites Leben spenden, herausragende Arrangements, die schon jetzt zu dem besten zählen, was das Jahr 2013 gebracht hat und bringen wird.
Nostalgisch sei er nicht, sagt White in einem Interview. Er mag aber die Art und Weise, wie vor einigen Jahrzehnten Platten aufgenommen wurden. Mit einem klaren Plan, bevor auch nur ansatzweise ein Fuß die Schwelle zum Studio überschreitet. Vor allen Dingen aber mit einer Hausband. So funktioniert das von ihm mitbegründete Label Spacebomb: ein kleines Team als Stamm eines riesigen abrufbaren Musikerkollektivs. Um die drei Dutzend Instrumentalisten haben "Big inner" mitgestaltet, die mehrköpfige Bläsersektion, eine Streicherkombo, ein Chor. Und wie alle Beteiligten unter Whites Dirigenz ihre Parts in Einklang bringen, nicht der Opulenz verfallen, ist nicht weniger als fantastisch und auch der Grund, weshalb Whites zurückgenommene Stimme in Songs wie "One of these days" nicht verloren geht.
Die Reise ins "Big inner" führt den 30-Jährigen aus Virginia zu Texten über einen geliebten Menschen, mit dem man bis zum Lebensende vereint sein möchte, hin zum Tod seiner jungen Cousine in "Gone away" und schließlich zur Lobpreisung des Herren aus der Sicht zweier Flüchtlinge im fünfminütigen Gospelmantra am Ende von "Brazos": "Jesus Christ is our Lord, Jesus Christ, he is your friend." Der Sohn missionierender Eltern ist Überzeugungstäter und dennoch insgesamt in punkto Spiritualität defensiver als beispielsweise Washington Phillips. "Big inner" ist eine Soulfundgrube, sucht seine Inspiration auch im Jazz, bei Country-Soulkünstlern und in einer Kreuzung aus Mavis Staples "You're not alone", Stuart A. Staples "Goodbye to old friends", Marvin Gayes "Let's get it on". Noch kein Wort zu "Big love"? Doch: Überhit! Wohl dem, der sich schon nach dem ersten Album um sein Vermächtnis keine Gedanken mehr machen muss.
Highlights
- Big love
- Brazos
Tracklist
- One of these days
- Big love
- Will you love me
- Gone away
- Steady pace
- Hot toddies
- Brazos
Gesamtspielzeit: 41:02 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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2014-02-14 10:12:12 Uhr
Ist der Mark E. Smith verwandt?? |
Cosmig Egg Postings: 766 Registriert seit 13.06.2013 |
2014-02-14 10:05:41 Uhr
du bist mein allerliebster Lieblingsredakteur, Stephan. |
Stephan Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 996 Registriert seit 11.06.2013 |
2014-02-13 22:01:46 Uhr
Bei mir war es Top5 :-) |
Cosmig Egg Postings: 766 Registriert seit 13.06.2013 |
2014-02-13 21:53:26 Uhr
warum gabs dafür eigentlich so wenig resonanz? ...und warum aucht das in keiner Jahresbestenliste auf?Bin wieder mal total geplättet von dem Album |
htappert |
2013-11-26 09:59:01 Uhr
besser als der bass ist live nur noch das schlagzeug.tolles konzert gestern in minga. |
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Referenzen
Roy C; O.V. Wright; Curtis Mayfield; Lambchop; Stuart A. Staples; Marvin Gaye; The Chambers Brothers; Randy Newman; Mavis Staples; The Staple Singers; The Impressions; Cody ChesnuTT; James Carr; William Bell; Isaac Hayes; Al Green; Jackie DeShannon; Reuben Howell; Bobbie Gentry; Angie Stone; Solomon Burke; Fight The Bull; Jill Scott; Lee Dorsay; Gil Scott-Heron; Wilson Pickett; Allen Toussaint; Washington Phillips; Terry Callier; Delaney & Bonnie; The O'Jays; The Isley Brothers; Booker T. Jones; Sandra Rhodes; Jimmy Cliff; Jorge Ben; Bootsy Collins; Steven Bernstein
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