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PVT - Homosapien

PVT- Homosapien

Felte / Rough Trade
VÖ: 15.02.2013

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Unwucht in Tüten

Soso, Elektronengehirne sind also erfunden worden, um dem Menschen das Leben leichter zu machen. Vergleiche hierzu einen Witz wie diesen. Sie: "Wie war's im Büro, Schatz?" Er: "Schrecklich. Der Computer ist ausgefallen, und wir mussten selbst denken." Was haben wir gelacht. Nicht. Sogar noch lächerlicher: Die in London und Sydney ansässigen PVT mussten sich umbenennen, da die unbekannte US-Band Pivot auf ältere Namensrechte pochte. Doch wenigstens fühlt man sich beim Trio nun nicht mehr an die ebenfalls gleichnamige Excel-Tabellenfunktion erinnert - die erleichtert einem das Leben nämlich oft nicht, obwohl sie das sollte. Was allerdings immer noch nicht heißt, dass PVT es dem Hörer sonderlich einfach machen.

Immerhin: Ihre härtesten Zeiten als elektroakustisches Improvisationsensemble haben Richard Pike, Laurence Pike und Dave Miller inzwischen hinter sich gelassen. Und wer weiß: Womöglich ist "Homosapien" ja sogar ihr erstes Pop-Album. Richard Pike fungiert hier jedenfalls erstmals bei PVT annähernd durchgängig als Sänger und stellt zudem seine knurrige Gitarre oft in den Vordergrund, während Bruder Laurence satte Drum-Synkopen spielt, die vielen Stücken einen zuweilen unrunden, aber auch ungemein dynamischen Drive verleihen. Halt für den Fall, dass tatsächlich einmal der Computer ausfallen sollte. Doch solange er läuft, holt Laptop-Künstler Miller zusätzlich soulig-spukige Stimmeneinwürfe, digitale Cembalo-Klimpereien und rückwärts durch die Echokammer geschleifte Codas aus seinem Gerät.

Und dass das alles zusammen tatsächlich Songs ergibt und nicht wie noch auf dem Vorgänger "Church with no magic" zwar ambitionierte, aber unhandliche Soundgebilde, wird nach einigen Durchläufen immer deutlicher. Auch wenn den fröstelnden Einstieg "Shiver" abstrakte Synthie-Wölkchen durchziehen und in "Cold romance" ein Gespensterchor gedämpfte elektronische Schwingungen mitsummt, lässt sich beides durchaus als Liebeslied verstehen, wobei das Händchen jedoch genauso eiskalt bleibt wie beim bange krautgroovenden "Love & defeat". Sollbruchstellen, die auf "Homosapien" immer wieder aufpoppen - selbst durch einen relativen Hit wie das brodelnd rotierende Meisterstück "Electric" wehen unheilvolle "Uh-huh"s zu ebensolchen Bass-Sequenzen, bevor sich eingestreute Riffs freudig schreddern lassen. Die Unwucht in Tüten.

Das Titelstück reißt das Steuer auf einmal herum und präsentiert sich mit Zornesfalten auf der Gitarre und zerstückeltem Stimmengewirr als böser kleiner Brüder von Django Djangos "Default" - ist aber genausowenig Standardware wie der ständig durch schepprige Breaks sabotierte, dunkle Electro-Pop von "Nightfall". Kurz vor Schluss hört sich dann alles auf: Ein dröhnender Basslauf poltert so unwirsch durch "Casual success", dass selbst die Percussions im Hintergrund nur noch aufgeregt SOS zu klappern vermögen. Und so weiß man jetzt: PVT können - irgendwie - auch Punk. Und sparen sich gottlob dumme Witze. Zum Beispiel den: Was machen Musiker mit einer Flasche Säure, wenn sie einen Namensrechtsstreit am Hals haben? Sie lösen ihre Band auf. Das wäre eine blöde Idee bei so einem großartig doppelbödigen Album.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Electric
  • Nightfall
  • Casual success

Tracklist

  1. Shiver
  2. Evolution
  3. Electric
  4. Cold romance
  5. Love & defeat
  6. Homosapien
  7. Vertigo
  8. Nightfall
  9. New morning
  10. Casual success
  11. Ziggurat

Gesamtspielzeit: 43:40 min.

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