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Mogwai - Les revenants

Mogwai- Les revenants

Rock Action / PIAS / Rough Trade
VÖ: 22.02.2013

Unsere Bewertung: 5/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Gut gelaufen, schiefgegangen

Dass die Grenze zwischen Postrock und Score-Musik so hauchzart ist wie neumoderner Putenaufschnitt, gehört neben allerlei Nahrungsmetaphern wohl zu den totgerittensten Standards musikbekrittelnder Litanei. Dabei verdeutlicht eine Band wie Mogwai immer mal wieder, dass sich Mittel und Melodien zwar gleichen können, die alles entscheidende Dramatik jedoch den dicken Unterschied ausmacht. So funktionierten die Entschleunigungen von "Zidane: A 21st century portrait" in der Bilderkombination hervorragend, ja beinahe ab- bis hintergründig - für sich genommen blieben sie jedoch zwar einschmeichelnde, aber auch dramaturgisch unfertige Kleinode. Für "The fountain - Music from the motion picture" klappte diesbezüglich unter der Leitung Clint Mansells schon mehr - doch das beruhte eben auf der Professionalität eines ausgewiesenen Soundtrack-Experten.

Ähnliches gilt nun auch für die französische Nette-Zombies-böser-Alltag-Serie "Les revenants", über die der Canal+-lose Rezensent nur via Wikipedia-Brocken berichten könnte - also lässt er es besser gleich. Zumal Mogwai laut eigenen Angaben auch nicht viel mehr bekamen als die ersten Skripte in englischer Übersetzung. Der Inspirations-Highway sollte auf diese Weise umgekehrt werden: Nicht die Bilder sollten die Musik, sondern die Musik sollte die Bilder beeinflussen. Sicherlich ein spannender Ansatz, der die Ratlosigkeit der Protagonisten von Anfang an auf die Musiker überträgt. Wenn das gut läuft, so entgeht man eventuell der Falle des Unfertigen. Wenn es hingegen schiefgeht, knabbert "Les revenants" musikalisch an denselben Problemen wie die Figuren der Serie. Ein Spannungsfeld, auf dem es ungemütlich werden kann - und wird.

Im Ergebnis präsentiert "Les revenants" eine Vielzahl einnehmender Melodien zwischen spooky Glockenspiel und tränenreichem Piano. Und in der Tat sind diese so eindeutig und ablenkungsfrei auf Atmosphäre getrimmt wie bei Mogwai zuletzt um die Jahrtausendwende. Dazu werden beinahe flächendeckend Schlagzeug und Bass in die Arrangements geschleust, Streicher vertiefen das Drama, während sich die Gitarren auf leicht gegengetaktetes Tickern oder Brummschleifen aus dem Hintergrund beschränken. Diese stets ab der ersten Sekunde zupackenden Miniaturen pimpen Mogwai sorgfältig ins Songformat - beharren dann aber eher auf ihnen, statt sie zu entwickeln. Genau das also, was ein guter Soundtrack tun sollte, um seine eigene Geschichte nicht über die Bilder zu erheben. Beziehungsweise: genau das, was ein Album eher vermeiden sollte, um nicht an den eigenen zurückgeschraubten Ansprüchen zu verhungern.

Da können es dann nur noch die Ausnahmen von der Regel richten. "Les revenants" kennt derer zwei: Zum einen steht "Special N" sehr zu Recht im Zentrum des Albums, da der Song eine innere Adhäsion entwickelt, die schließlich auch auf den Rest des Materials übergreift. Breite Cello-Striche beweinen tropfende Gitarrenfiguren, der Beat zeigt sich humpelnd, doch rüstig. Und irgendwo im anschwellenden Untergrund wartet eben jene simple Betonungsverschiebung, die so oft bei Mogwai den Unterschied macht zwischen herzergreifend und under the top. Zum anderen tönt der Gospel-Klassiker "What are they doing in Heaven today?" ganz wunderbar. Mogwai weiten ihn zu einem breitflächigen Folk-Pop-Schunkler aus, der nicht nur Abwechslung ins Gesamtkonzept bringt, sondern auch als Thrill-Faktor hinter den Ecken ihrer eigenen Diskographie hervorspringt - so sanft, so friedvoll und so sehr ohne Vocoder schlurft er daher. Ansonsten aber stehen vor allem die Melodien zwar stets selbstbewusst auf, befinden sich gleich darauf aber in einer Szenerie, in der sie die Welt nicht mehr verstehen - geschweige denn, was denn jetzt und wohin als nächstes. Das mag zum Filmmaterial passen. Der Spannungskurve von "Les revenants" tut es aber ebensowenig Gutes an.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights

  • Special N
  • What are they doing in Heaven today?

Tracklist

  1. Hungry face
  2. Jaguar
  3. The huts
  4. Kill Jester
  5. The messiah needs watching
  6. Whisky time
  7. Special N
  8. Relative hysteria
  9. Fridge magic
  10. Portugal
  11. Eagle tax
  12. Modern
  13. What are they doing in Heaven today?
  14. Wizard motor

Gesamtspielzeit: 50:27 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Mann 50 Wampe

Postings: 3297

Registriert seit 28.08.2019

2020-07-03 21:24:16 Uhr
Schaue jetzt zum zweiten Mal die Serie. In Verbindung mit dem Mogwai Soundtrack wohltuend entschleunigt und mysteriös merkwürdig. Nee passt schon gut zusammen.

Castorp

Postings: 2788

Registriert seit 14.06.2013

2015-02-14 02:39:58 Uhr
Dass "Hungry face" und "Wizard Motor" nicht unter den Highlights der Rezi zu finden sind, ist ein Verbrechen. Gegen die Menschlichkeit. Ach, was sage ich, gegen das Universum!!!

;)

Der Soundtrack hat das Zeug zum Klassiker und die französische Serie ist so bezaubernd, wie schon lange nix mehr.
gefällt
2013-12-28 16:00:24 Uhr
'hungry face' all the way, wenn man die serie kennt und mag!
Sören D
2013-04-06 23:12:01 Uhr
Wizard Motor (auch auf der aktuellen Visions CD) ist doch ziemlich großartig.
günther breckt
2013-04-06 18:20:09 Uhr
das letzte mogwai album hardcore... war schon durchschnitt 6/10 und dieser trend setzt sich fort
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