Plus49 - Bow & arrow
Es ist Musik die Schuld hat an den schönen Dingen
VÖ: 22.02.2013
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Geld singt nicht
Kürzlich, als die Presse mal wieder den ganzen Google-GEMA-Scheiß brachte, wurde Sven Regeners "Wutrede" zur Urheberrechtsdebatte aufs Neue gern zitiert: Es werde immer so getan, "als wenn wir Kunst machen würden als exzentrisches Hobby", hatte der Element-Of-Crime-Sänger gemahnt. Freilich ist Applaus das Brot des Künstlers, lässt sich aber selten buttern und belegen. Böse Zungen behaupten, da werde das Gefälle zwischen Beruf und Berufung offenbar. Regener geht sicher zweiterer nach, wenn er Mikro, Trompete oder Stift in die Hand nimmt, andererseits ist sein Wirken natürlich auch alimentatorisch motiviert. Während Regener hinsichtlich dessen natürlich auch von seinem Bekanntheitsgrad profitiert, geht immer mehr unbekannteren Künstlern die monetäre Puste aus.
Das haben auch Plus49 fast erfahren müssen. "Die goldenen Zeiten der Plattenindustrie sind endgültig vorbei", resümieren die Kölner ernüchtert. Es ginge ihnen schon lange nicht mehr darum, mit Popmusik Geld zu verdienen, aber wenn die Einnahmen kontinuierlich sänken, während die Hörerschaft stetig wachse, müsse die Gruppe am Ende sogar draufzahlen. Wo bleibt da der Spielraum für ambitionierte Projekte? So entschieden sich Plus49, die Single "Bow & arrow" zum gleichnamigen Album mit Hilfe von Crowdfunding zu finanzieren, um die Produktion gemeinsam mit "Freunden und Fans" auf die Beine zu stellen. Es ist ein großartiger Song geworden! Nun ist auch die neue Platte von Plus49 fertig. Mit Eifer setzt sie das vorhergegangene Schaffen der Gruppe fort, geht dabei bisweilen ungewohnte, aber dennoch nicht weniger beachtenswerte Wege. Erfrischend und spontan gehen die alten Hasen zu Werke, roher und direkter erscheint ihre Musik.
"Es ist Musik die Schuld hat an den schönen Dingen", lautet der etwas lang geratene Name (dem dazu noch ein Komma fehlt) des bandeigenen Labels. So ist auch der vierte Langspieler von Plus49 ein "schönes Ding" geworden, eigentlich sogar ein sehr schönes. Dass der Bandname die Herkunft der Gruppe in sich trägt, muss beim Erstkontakt zunächst entschlüsselt werden, genügen die Inszenierungen doch mühelos internationalem Standard. "Bow & arrow" erinnert ein wenig an The Notwist, überzeugt durch seine schmissige Kehrzeile und das Gitarrenspiel im Umfeld derselben. Wohldosierte Synthie-Klänge runden das Stück ab und geben ihm das gewisse Etwas. "Cocooning" spricht von Heimeligkeit, erzählt von übergemütlichem "broadcast on a rainy sunday" und spinnt so den besungenen Kokon um den Hörer, der sich wehrlos ergibt und bereitwillig die Fötusstellung einnimmt. Ganz anders kommt "Thirsty" daher: viel zackiger, klatschiger und experimenteller, da insgesamt sehr elektronisch aufgezogen. Aufgrund der wenig ausufernden Textgestaltung des Songs könnte das Stück fälschlicherweise als Füller bezeichnet werden. Wäre dieses nicht derart tanzbar und würde so eine weitere Wahrnehmungsperspektive des Albums eröffnen. Im Weiteren probt Plus49 den Inferno-Fall, die Gitarren drücken den "Sense eater" an die Wand, das atmosphärische Wabern des Basses bringt die Gemäuer zum Vibrieren, bis das Keyboard ihn Richtung Himmel schickt. Super!
Auf "Bow & arrow" ist die vielzitierte fehlende Ehrlichkeit im Musikbusiness noch Ehrensache und das lässt sich heraushören. Der schnöde Mammon ist hier nicht Motivator, sondern einzig Voraussetzung. Das gefällt. Geld schießt keine Tore und macht noch lange keine gute Musik. So sind finanzielle Mittel zwar eine notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für anspruchsvolle Musik - alles andere riecht nach Milli Vanilli. Das wird auch Herr Regener so sehen. Wenn Google und die GEMA sich streiten, sollte der begeisterte Musikfreund allein um des Genießens Willen Investitionsbereitschaft demonstrieren. Wenn der Konzern nicht zahlen will und damit am Ende nicht nur die Musiker, sondern auch seine Nutzer verprellt, ist er selbst schuld. Bei Google gibt es "+1", bei Plattentests.de darf es schon mal Plus49 sein.
Highlights
- Bow & arrow
- Cocooning
- Thirsty
- Sense eater
Tracklist
- Education is older than glamour thing
- Bow & arrow
- Sad in one hour
- Cocooning
- Thirsty
- Fading snow
- The island (from borderlands)
- Sense eater
- Walk off
- Bow & arrow (Julian Stephan Remix)
Gesamtspielzeit: 36:36 min.
Referenzen
The Notwist; Radiohead; Blackmail; dEUS; Placebo; The Monks; Get Well Soon; Kashmir; The National; Wilco; Mark Lanegan Band; The Postal Service; The Weakerthans; The Arcade Fire; Phoenix; Soulwax; Talk Talk; Flaming Lips; Portishead; R.E.M.; U2; Depeche Mode; Queen; Pink Floyd