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Jahrespoll 2023 – Die Favoriten der RedaktionAufatmen in der Social-Media-Abteilung der Plattentests.de-Redaktion: 2023 war das Jahr, das uns gleich zwei neue Alben von The National bescherte, womit unseren The-National-Dienstagen auf der Rentnerplattform Facebook noch länger nicht der Stoff ausgehen wird. Dass sich die beiden Alben möglicherweise beim Voting zum Album des Jahres in die Quere kommen könnten, hatten Matt Berninger und Co. hingegen wohl nicht auf dem Zettel. Wäre aber auch eng geworden, denn Sufjan Stevens lieferte mit "Javelin" eine Platte von solch emotionaler Wucht, dass uns letztlich nur eines übrig blieb: Wir mussten sie einfach zum "Album des Jahres" wählen. Danke, Sufjan! Auf den weiteren Plätzen wird es divers: Da gibt es das gelungene Comeback von Blur, großartigen Metal-Spaß von und mit King Gizzard & The Lizard Wizard und exaltierten Pop mit der Extraportion Grandezza von der großartigen Caroline Polachek. Ach ja, und Pascow mausern sich mittlerweile ja auch schon fast zu Stammgästen in unserem Redaktionspoll. Grüße nach Gimbweiler! Bei der Wahl zum "Song des Jahres" gab es dieses Jahr ein sehr klares Resultat: Blur lieferten mit "The narcissist" den einen Song, auf den sich in den heiligen Plattentests.de-Hallen alle einigen konnten, Pförtner Bernd genauso wie Finanzcontrollerin Patrizia. Auf den weiteren Plätzen gibt es emotionale Achterbahnfahrten, denn einige Songs beschäftigen sich mit Verlust und Trauer und entlockten auch uns das ein oder andere Tränchen: "Will anybody ever love me?" und "Ghosts again" sind musikalisch grundverschieden, doch eint sie das würdevolle Abschiednehmen von geliebten Menschen. Und huch, da sind ja auch The Beatles in unseren Top 20 und beweisen: Niemals geht man so ganz! In diesem Sinne wird uns auch das Musikjahr 2023 in ganz besonderer Erinnerung bleiben. |
Album des Jahres |
Song des Jahres |
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1. Sufjan Stevens Javelin |
1. Blur The narcissist |
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Abermals verwandelt Sufjan Stevens den furchtbaren Terror seiner Trauer um einen geliebten Menschen in die mitunter schönste Musik, die man dieses Jahr zu hören bekam. Der Verlust seines Partners schwingt in jeder Zeile mit, erklingt aus jeder Note, schmerzt mit jedem weiteren Song. Und abermals halten wir fest: Wir haben diesen Mann und sein wunderbares Talent höchstwahrscheinlich nicht verdient. Jennifer Depner |
Krieg, Lügen, Hetze – 2023 wurde es leise um die Solidarität. "The narcissist" schaut auf die Vergänglichkeit der Existenz, welcher wir uns rasch nähern. Egomanie sei Dank. Und Blur! Ein Song als musikalisches Mittendrin, als gemeinsamer Nenner, mit fluffiger Selbstverständlichkeit und voller Melancholie. Hoffnung stiftend, immerhin: "I'ma shine a light in your eyes / You‘ll probably shine it back on me.“ Eric Meyer |
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2. Lana Del Rey Did you know that there’s a tunnel under Ocean Blvd. |
2. Sufjan Stevens Will anybody ever love me? |
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Die wahre Bedeutung von "guilty pleasure": In Anbetracht von gewissen fragwürdigen Social-Media-Äußerungen will man nicht unbedingt Fan von Lana Del Rey werden. Dann hört man das vorliegende Album und kann gar nicht anders, als diesen in dramaturgisch perfekten 78 Minuten inszenierten melodischen Wunderwerken vor die Füße zu fallen. This is the experience of being an American Ausnahmekünstlerin. Marvin Tyczkowski |
Diese flehentliche Frage von Sufjan Stevens haben wir doch längst beantwortet: Ja, wir lieben Dich! Weil Du diese Art der Musik komponierst, weil Du mit größtmöglicher Konsequenz immer und immer wieder das Beste aus Deinen kreativen Quellen herausholst und weil Du es dann schaffst, all diese Ideen in solch famose Werke wie "Javelin" zu gießen. Aus denen dann auch noch Songs wie dieser hier herausragen. Torben Rosenbohm |
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3. Boygenius The record |
3. Boygenius Not strong enough |
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Eine wunderbare Liebeserklärung an die Freundschaft mit einem Klangkosmos zwischen Singer/Songwriter-Zärtlichkeit und Grunge. Stimmen und Persönlichkeiten der Indie-Lieblinge Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus strahlen in perfekter Harmonie, geben einander aber auch ausreichend Freiraum individuell zu glänzen, und übertreffen als Gitarren-Avengers die hohen Erwartungen an ihr Debütalbum spielend. Michael Albl |
"Not strong enough" wird für mich immer der Song bleiben, den ich als frischgebackener Papa im Nieselregen auf dem Weg ins Krankenhaus gehört habe. Er lässt mein Herz höherschlagen, denn meine Erinnerungen an diese aufregende Zeit sind nun auch fest und unweigerlich mit diesem unglaublichen Song verbunden. Und darum geht es bei Musik doch vor allem: Besondere Momente noch unvergesslicher zu machen. Kevin Holtmann |
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4. Pascow Sieben |
4. The National Tropic morning news |
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Pascow haben die Formel geknackt. Vor einer ganzen Weile schon, klar. Doch statt berechenbar und öde, werden Alex, Swen und Co. einfach besser. Und legen in puncto Dringlichkeit sogar noch einen drauf. "Sieben", das ist wieder melodischer Deutschpunk made in Gimbweiler, mit schlauen Texten zu düsteren Themen. Bonjour Tristesse? "Doch zwischen Altglas und Verlierern / Halten wir's gut aus." Wir auch. Markus Huber |
"Tropic morning news" – so liebenswert nennt es Matt Berningers Frau, wenn sie ihrem Mann beim Doomscrollen durch die Meldungen des neuen Tages zusieht. Vermutlich im "New Order T-shirt". Prima Steilvorlage für einen der sonnigsten, beschwingtesten Songs der Elder Statesmen des Indie-Rock. Womit auch die Frage beantwortet wäre, ob "First two pages of Frankenstein" oder "Laugh track" das bessere Album ist. Thomas Pilgrim |
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5. Caroline Polachek Desire, I want to turn into you |
5. Depeche Mode Ghosts again |
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Nicht nur das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, auch bei diesem Album von Caroline Polachek weiß man nie, was man bekommt: Zuckriger Pop trifft auf exaltierte Stimmakrobatik, im nächsten Moment flirten fiebrige New-Age-Klänge mit zeitgemäßem R’n’B. Am Ende steht ein Album, das sich nicht vor großen Vergleichen scheuen muss: Der Club der eigenartigen Pop-Queens hat ein weiteres Mitglied.
Kevin Holtmann |
Sie haben es noch drauf. Also nicht nur das Erschaffen großartiger Musik, das haben Depeche Mode in jeder Karrierephase hinbekommen. Aber einen echten Hit zu landen, der auch häufiger im Radio läuft. Den Gelegenheitshörer, Hardcore-Fans und Kritiker anerkennen. Und der angesichts des Todes eines geliebten Bandmitgliedes noch eine tiefere Bedeutung bekommt. All das gelingt ihnen mit "Ghosts Again". Thomas Bästlein |
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6. Blur The ballad of Darren |
6. Hundred Reasons Wave form |
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Beeindruckend, wie ungezwungen Damon Albarn und Kollegen inzwischen zu Werke gehen. Am besten sind Blur immer noch, wenn sie mit "The narcissist" ihren besten Space-Rocker seit "Beetlebum" raustun, "St. Charles Square" grinsend die Instrumente vor die Wand knallt oder das flockige "Barbaric" ähnlich empört wie Pet Shop Boys die Instabilität der Liebe bekrittelt. 30 Jahre toll – das schafft nicht jede Band. Thomas Pilgrim |
Die meisten Helden des Jahrtausendwende-Emos sind mies gealtert. Umso überraschender: "Wave form"! Kurz klingt's zum Refrain nach Liquido, dann die Wahnsinns-Entfesselung nach 2:48 Minuten, verschwitzt wie ein unterm Bett vergessenes Shirt, das seit dem Rival-Schools-Konzert 2002 nicht gewaschen wurde. Der Song trauert einer gescheiterten Beziehung nach – und bringt das schöne Vergangene ins Jetzt. Armin Linder |
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7. The National Laugh track |
7. Lana Del Rey Did you know that there’s a tunnel under Ocean Blvd. |
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Der auf Familienfeiern immer dezent beschwipste Großcousin von "First two pages of Frankenstein" schöpft mit vollen Händen aus dem Kreativbrunnen: mehr Dynamik und Drums, weniger Taylor Swift, kleinere Pop-Kante. Gerade ungezwungene Rumpler wie "Smoke detector" stellen klar, dass The National längst nicht auserzählt sind. Zwei tolle Alben in einem Jahr! You don’t know how much we love you, do you? Ralf Hoff |
Majestätisch schwebt Lana Del Rey durch einen längst versiegelten Tunnel auf der Kehrseite des Traums, lässt die vergessenen Katakomben Kaliforniens in melancholischer Pracht wiederauferstehen. Den Titelsong ihres famosen Albums treibt einmal mehr der Gedanke an, dass die Einsamkeit am Urgrund amerikanischer Mythen liegt. "Don't forget me" – selten hat sie ihn schöner und schmerzlicher formuliert. Viktor Fritzenkötter |
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8. Wednesday Rat saw God |
8. Young Fathers I saw |
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Wer Gitarrenmusik liebt, kommt an der historischen Bedeutung der Südstaaten kaum vorbei. Wednesday zeichnen ihre Heimat als so geplagten wie vertrauten Ort voller grotesker Episoden. Zwischen zarten Slide- und brachialen Shoegaze-Gitarren, Sakrament und Sakrileg erkunden sie einen Alltag, der aus Widersprüchen besteht. Und basteln aus seinen Scherben ein schonungsloses Rockalbum, das Sehnsucht und Wärme entgegenhält. Viktor Fritzenkötter |
Vorwärts gehen ist eigentlich ganz einfach. Linker Fuß, rechter Fuß, immer abwechselnd. Alles andere sähe auch doof aus. Im Kopf rattern die Zahnräder, Dinge müssen getan werden. Umkehren scheidet aus, aus Gründen. Wohin die Reise geht, ist am Ende nicht so wichtig, solange man ankommt. Idealerweise trifft man auf dem Weg sogar Menschen, die einen aushalten. Aber bitte Zähne putzen nicht vergessen. Christopher Sennfelder |
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9. The National First two pages of Frankenstein |
9. James Blake Loading |
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Der erste Streich von Matt Berninger und Kollegen wurde vom zweiten ein halbes Jahr später zwar sogar noch leicht getoppt, doch begeistert bereits Teil eins mit famosen Songs. Die übrigens erst richtig prachtvoll werden, wenn man sie am Stück genießt. Ein Album mit Tiefgang, das auch lyrisch berührt. Taylor Swift und Phoebe Bridgers sind auch mit dabei, drängeln sich aber nicht in den Vordergrund. Torben Rosenbohm |
James Blake wagt die Heimkehr zu seinen musikalischen Wurzeln und verfrachtet die introspektiven Balladen der vergangenen Jahre zurück in den Club. Auf "Loading" schweben zerbrechliche Stimmen über auf- und abebbenden Synthesizer-Episoden, durchzogen von kleinen Distortions und hintergründigen, geisterhaften Vocals. Der sanft untermalende UK-Bass-Beat perfektioniert die nächtlich-hypnotische Atmosphäre. Nicola Koch |
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10. King Gizzard & The Lizard Wizard PetroDragonic apocalypse, or; dawn of eternal night: An annihilation of planet earth and the beginning of merciless damnation |
10. Bombay Bicycle Club Meditate (feat. Nilüfer Yanya) |
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"Motor spirit!" – "Supercell! (Supercell!)" – "Converge!" – "Witchcraft." – "Gila! Gila! Gila! Monster!" – "Dragon, dragon, dragon, dragon!" – "Flame! Thrower! Flame! Throw a flame!" Was das soll? Wer das 24. Album von King Gizzard & The Lizard Wizard verinnerlicht hat, darf nun erneut sieben Ohrwürmer bekommen und mit dem Endorphinlevel ein japanisches Blütenfest feiern. Welch ein fulminanter Powertrip! Felix Heinecker |
"I never walk, I levitate." Die Karriere von Bombay Bicycle Club hatte Höhen und Tiefen, doch in "Meditate" schweben sie nah am Gipfel. Gemeinsam mit Nilüfer Yanya gleiten Jack Steadman und Co. durch fünf Minuten Indie-Rock-Perfektion und setzen im Bläser-befeuerten Instrumentalrausch das endgültige Ausrufezeichen hinter einen ihrer besten Songs. Da fallen einem fast die Spiegeleier von den Augen. Marvin Tyczkowski |
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11. Daughter – Stereo mind game 12. Steven Wilson – The harmony codex 14. Gabriels – Angels & queens 15. Ilgen-Nur – It’s all happening 16. Jessie Ware – That! Feels good! 18. Captain Planet – Come on, Cat |
11. Philine Sonny - Drugs 12. The Beatles – Now and then 13. Caroline Polachek – Welcome to my island 15. Yeule - Dazies 16. Blur - Barbaric |
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Auswertung: Kevin Holtmann
Koordination und Einleitungstext: Kevin Holtmann
Texte: Die Redaktion von Plattentests.de