The Streets - Original pirate material

Pure Groove / Warner
VÖ: 29.04.2002
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Unter schwarzer Flagge

Auch im Jahre sechs bis acht nach dem Aufprall von Drum'n'Bass wartet man vergeblich auf eine wirklich funktionstüchtige Bewegung elektronischer Musik, die den auf den Leib geschriebenen Euphemismus erst einmal überstehen muß. So stürzt sich die britische Presse wieder vorbehaltslos auf den Rock. Was alleine vom NME mit den Strokes oder den Hives passierte, dürfte bekannt sein. Sofort merkt selbst ein gestandener Mitteleuropäer mit normalsterblichen Gestus: Hype braucht der Engländer genauso zum täglich Brot wie sein Königshaus und sein dünnes Bier. Momentan stürzt sich nun in England alles, was zwei Ohren hat und einen Bleistift halten kann, auf den 22-jährigen Mike Skinner alias The Streets. Don't believe the hype?

Nun, vielleicht doch. Nicht nur, daß dieser Skinner wirklich ein großer und gänzlich unaufgeregter Könner ist. Er hat auch eine besondere Art von Humor. Wie sonst ist es zu erklären, sein Ein-Mann-Unternehmen The Streets zu nennen? 2001 knackte der Kaufmannssohn Skinner bereits die Charts mit dem auch hier auf dem Album vertretenen "Has it come to this" - ein 2Step-Takter mit eloquenten Raps über das stinknormale Leben eines stinknormalen Kids. Es geht ihm um alltägliche Straßengeschichten, um Erfahrungen des Erwachsenwerdens zwischen Playstation, Normalität und Brandtwein - ohne jedoch zu sehr auf böses Ghetto getrimmt zu sein oder zu beklagen, wie schlecht heute schon wieder die Welt ist.

Skinner smoovt und groovt mit seinem unnachahmlichen Sprech-Singsang durch alle 14 Stücke. So positioniert sich der Solist in einer Nische, die musikalisch nicht auf die verkürzte Formel 2Step paßt, da hier ein gewaltiges Mehr an Form und Inhalt vorzufinden ist. Melodiös und melancholisch, mit Eindrücken aus Soul, Reggae und Rap pflegt "Original pirate material" ein Gesamtbild, das seine magische Anziehungskraft auch nach mehrmaligem Durchläufen nicht nur beibehält, sondern erweitert. Beispielsweise erinnert "Let's push things forward" vehement an die Specials, und bei "Geezer's need excitement" überbietet die auf cool getrimmte und gelangweilte Monotonie sogar den unumstößlichen Flow gestandener Männer. Als Chronist des Zeitgeschehens kriegt Skinner den Mund nicht voll genug und stellt nicht enden wollende Wortberge zu Gebirgslandschaften auf. Mit dem eigenwilligen und minimalistischen Beat, der beim Song "Same old thing" sogar an das monotone Auf- und Ab eines Scheibenwischers erinnert, ist er stets im Fluß. Skinners dichterischer, und dabei doch klarer und realistischer Wortfluß behält stets die Oberhand und kann aus seinem einfachen Selbstverständnis heraus selbst krude Vergleiche mit Bob Dylan oder Attila The Stockbroker standhalten. Auch in Interviews kann er schon den gelangtweilt arrogante Rockstar-Gestus der Gallagher-Brüder nach außen kehren. Was macht dieser Skinner denn erst, wenn er mal 30 ist? In der Zwischenzeit positioniert er sich schon mal im Irgendwo zwischen Rapper, Marktschreier und Speakers-Corner-Poet.

(Peter Hesse)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Let's push things forward
  • Geezer's need excitement
  • Weak become heroes
  • Stay positive

Tracklist

  1. Turn the page
  2. Has it come to this
  3. Let's push thing's forward
  4. Sharp darts
  5. Same old thing
  6. Geezer's need excitement
  7. It's too late
  8. Too much brandy
  9. Don't mug yourself
  10. Who got the funk?
  11. The irony of it all
  12. Weak become heroes
  13. Who dares wins
  14. Stay positive
Gesamtspielzeit: 47:31 min

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