Tanita Tikaram - Can't go back

Earmusic / Edel
VÖ: 31.08.2012
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Analoges Herz

Dieser eine große Song. Viele Künstler sind elendig genervt von ihrem Durchbruchshit. Kürzlich spekulierte der Boulevard darüber, ob Carly Rae Jepsen ihr "Call me maybe" schon nicht mehr singen wolle. Dabei sind ihre anderen Songs doch noch viel nerviger. Immerhin wäre sie damit in prominenter Gesellschaft. UB40 können ihren alten Schlager "Red red wine" nicht mehr hören, Radiohead spielten jahrelang kein "Creep" mehr, und auch Gotye hat sich in der kurzen Zeit, seit der sein "Somebody that I used to know" um die Welt ging, am eigenen Hit überhört. Tanita Tikaram ist da anders. Sie lächelt die dämlichen Journalistenfragen zu "Twist in my sorbriety" einfach weg und spielt den Song mal eben neu ein.

Weil ihr Album aber eben doch "Can't go back" heißt, verschenkt sie den alten Hit per Podcast, anstatt mit ihm die Verkäufe anzukurbeln. Plattentests.de gibt natürlich die offizielle Erlaubnis, "Can't go back" zu mögen. Das muss allerdings ausfühlicher begründet werden, denn eigentlich hatten wir die Britin doch schon fast abgeschrieben. Zu lange ist es her, dass sie 1988 mit den halbdunklen Melodien von "Ancient heart" und einem für die damals 19-Jährige überraschend ausgeprägten Traditionsbewusstsein die Charts erobert hatte. Ihr letztes musikalisches Lebenszeichen, das 2005er Album "Sentimental", hatte schon kaum mehr jemanden interessiert. Die entspannte Eleganz dieser zehn neuen Songs jedoch erobert auf subtile Art das Herz.

Der Opener "All things to you" rumpelt auf einem satten Klavier in Richtung Mark-Ronson-Soul los, und der Popo schwingt im Takt. Das entzückende "Dust on my shoes" ist dann schon bei den großen Gefühlen, aber Tikaram gleitet relaxt an den Gospel-Harmonien vorbei. Ihr ausgeruhter Charme lässt sich vom Streicherschmelz nicht provozieren, sondern schmiegt sich sanft an die Musik. "If I could make believe / Bring a smile to everyone", singt sie in "Make the day", doch Ehrgeiz und Overacting sind ihrem warmen Raunen fremd. Die Songs danken es ihr mit kuscheligen Grooves und unbeschwerten Ausritten.

Tikaram spult hier keine altbackenen Routinen ab. Das zeigt sich in der lasziven Knister-Atmosphäre von "Rock & roll" ebenso wie in der scheppernden Elektrizität von "Heavy pressure". Sie verpackt selbst Zweifel und Kummer in munteren Pop wie "Science" oder "Keep it real". Für den Novelty-Flair von "One kiss" spendiert Produzent Paul Bryan noch seine an den Schmelz von Republikliebling Sasha erinnernde Stimme, und im Hintergrund sorgt das Schifferklavier für Romantik. Das geht ans Herz. Natürlich wird man mit Tikaram in diesem Leben keinen technischen Fortschritt mehr erleben. Fürs Kuscheln braucht's aber keinen modernen Schnickschnack. Sondern ganz analogen Körperkontakt.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • All things to you
  • Rock & roll
  • Science
  • Heavy pressure

Tracklist

  1. All things to you
  2. Dust on my shoes
  3. Make the day
  4. Rock & roll
  5. Science
  6. Keep it real
  7. Can't go back
  8. Heavy pressure
  9. One kiss
  10. If the world should want for love
Gesamtspielzeit: 40:17 min

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