Wild Nothing - Nocturne

Bella Union / Cooperative / Universal
VÖ: 24.08.2012
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Musik aus Sand und Nebel

Die 80er. Was gerne als die Dekade der schrecklichen Frisuren, knallbunten Leggins und albernen "Jazzercise"-Gymnastik-Videos betrachtet wird, ist eigentlich ja gar nicht übel. Nicht umsonst erlebten die 80er in den letzten Jahren verschiedenste Wiederauferstehungen. Während Modeschöpfer sich an allerlei Elementen dieses eigentlich längst vergangenen Jahrzehnts bedienen und nicht erst der tragische Tod von John Hughes 2009 dafür sorgte, dass der eine oder andere Filmemacher versucht, an dessen immenses Talent der etwas anderen Unterhaltung heranzukommen, erlebt auch die damalige Musik ihr Revival. Einige Bands schufen damit eine weitere Genrekennzeichnung, gerne mit "Surf-" oder "Dream-" als Vorsilbe. Eben Musik, die sich anhört, als sei sie am Strand aufgenommen und anschließend mit Instagram bearbeitet worden: Melodien, die ausgelassen und trüb zugleich klingen; Songs, die sich anhören wie ein Bild durch Milchglas aussieht; ein Tag am Strand, an dem es mittendrin plötzlich regnet. Und es könnte gar nicht egaler sein.

So in etwa klang auch "Gemini", das erste Album von Wild Nothing. Jack Tatum, der quasi alleine hinter diesem Projekt steckt, schaffte damit den Sprung zwischen Melancholie und Glückseligkeit. Mit "Nocturne" liegt nun das zweite Album vor, das sich am selben Konzept orientiert und noch eine Stufe weitergeht. Der Opener "Shadow" holt das Vertrauen, das man nach der ersten Platte hatte, wieder genau dorthin zurück, wo sich bei einigen Hörern die Angst vor der Enttäuschung des berüchtigten zweiten Albums einnistete. Gepaart mit Streichern verschafft Tatum das Gefühl von Sommer und Strand und einer gewissen Form von Fernweh, das wiederkehrende Gitarrenriff regt zum Tanzen an, während der Gesang sich wie ein weiteres Instrument in das Gesamtspiel einfügt. Fast im Gegensatz dazu steht das sphärische "Through the grass", wo der Strand in Dunkelheit gehüllt ist, Tatums Stimme klingt ausgewaschen - ein Effekt, der sich auch durch das hypnotische Liebeslied "Only Heather" zieht.

Das Geheimnis von "Gemini" wie auch von "Nocturne" liegt darin, dass der Hörer sich Song um Song in eine bestimmte Szenerie hineinfühlen kann. "This chain won't break" ist die vertonte Autofahrt in einem fremden Land ohne die geringste Vorstellung, wo es hingehen soll, mit einem Mittelteil, der nur für einen Moment den Wind aus den Segeln nimmt, bis sich das New-Wave-Stück wieder fängt und doch noch sein Ziel erreicht. Auf eine ferne Wanderung geht der Verstand auch während "Disappear always", dessen immer nur kurz aufflackernder Gitarrenpart ein Zeichen für die Detailverliebtheit Tatums ist, der hier den oben bereits genannten Milchglas-Effekt geradezu perfektioniert. Gitarre, Synthesizer und Drums vereinen sich gegen Ende im treibenden "The blue dress", bis schließlich mit dem nostalgischen "Rheya" der letzte Sand von den Beinen gestrichen wird. Aber wie es immer so ist: Den Strand trägt man noch Wochen später durch die Gegend, und immer wieder findet sich irgendwo scheinbar neuer Sand - und ein ganz ähnliches Gefühl hinterlässt auch "Nocturne", das einem immer wieder durch den Kopf geht. Selbst wenn der Sommer längst vorbei ist.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Shadow
  • Only Heather
  • Disappear always
  • Paradise
  • The blue dress

Tracklist

  1. Shadow
  2. Midnight song
  3. Nocturne
  4. Through the grass
  5. Only Heather
  6. This chain won't break
  7. Disappear always
  8. Paradise
  9. Counting days
  10. The blue dress
  11. Rheya
Gesamtspielzeit: 44:17 min

Im Forum kommentieren

Frank Shankly

2014-10-01 13:07:43

Dann reihe ich mich auch mal ein:
Ein schönes Pop-Album mit Dream-Anleihen, das seine Wirkung am besten in nicht zu heißem Sonnenschein entfaltet.
Meine Highlights: 'Nocturne' , 'Counting Days' und vor allem 'Paradise'

Lola

2014-07-20 16:34:33

Ein schön verträumtes Sommer- bzw. Spätsommeralbum, das man nicht nur im Sommer bzw. Spätsommer genießen kann.

carpi

2014-07-20 15:26:59

In der Tat ein schönes Teil, das man nicht nur im Sommer genießen kann.

Damian

2014-07-20 13:16:50

Schön verträumtes Sommer- bzw. Spätsommeralbum, das zwar kantig ist, aber doch nirgendwo aneckt. DAS MUSS MAN ERST MAL SCHAFFEN!

9/10

saihttam

2014-07-20 00:28:45

hat sich mittlerweile zu einem meiner liebsten Sommeralben gemausert.

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