Gojira - L'enfant sauvage

Roadrunner / Warner
VÖ: 22.06.2012
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Auf der Thronspur

In den Achtzigern, im Metal-Paläozoikum sozusagen, revolutionierten zwei Bands nachhaltig den Progressive Metal und sorgten entsprechend für staunend nach unten klappende Unterkiefer. Die Rede ist von Watchtower und Voivod. Während Watchtower mittlerweile trotz einem seit Ewigkeiten angekündigten Album offenbar Geschichte sind, halten sich Voivod zwar leidlich im Gespräch, ernsthaft überzeugen konnten die Kanadier aber schon lange nicht mehr. Was das mit Gojira zu tun hat? Nun, spätestens mit dem famosen "The way of all flesh" von 2008 haben sich die Franzosen den Ruf erarbeitet, so etwas wie die legitimen Nachfolger der Mitgründer des Progressive Metal zu sein.

Insofern stehen Gojira erstmals vor der Situation, eine gewisse Erwartungshaltung bedienen zu müssen. Doch sollten sie Druck verspürt haben, ist dieser bereits nach wenigen Sekunden des Openers "Explosia" im Wortsinne wie weggeblasen: Turmhohe Riffwände bauen sich auf, immer wieder fein zersägt durch beiläufige Gitarren-Widerhaken, und Joseph Duplantier brüllt sich den Frust über den zunehmenden Freiheitsverlust in der Welt von der Seele. Selten trafen filigranes Können auf Höchstniveau und wuchtige Aggression so gelungen und aus einem Guss zusammen wie hier.

Blaupause dafür ist das Titelstück: Ein Eröffnungsriff zum Niederknien, das eigentlich nicht von Menschenhand geschaffen sein kann, führt den fassungslosen Hörer direkt in einen Mahlstrom von brachialen Grooves und breitwandigen Melodien - das ist schlicht und einfach große Kunst. Und auch, nachdem die erste Angriffswelle geradezu monströs packender Songs mit dem ziemlich durchgeknallten Interludium "The wild healer" abgeschlossen ist, kennen die Franzosen kein Erbarmen und feuern mit "The gift of guilt" oder dem vergleichsweise ruhig beginnenden "Born in winter" weitere Prototypen modernen progressiven Metals ab.

Wie das im Titel erwähnte Wolfskind, das die Zwänge vermeintlich moderner Zivilisation nicht kennt, treiben Gojira, anscheinend völlig frei von äußeren Einflüssen, ihre Mixtur aus Härte und Harmonie nahezu bis zur Perfektion. Das Beeindruckendste dabei sind die offensichtlichen Fortschritte in der Entwicklung, die die Franzosen von Album zu Album durchlaufen, wobei es ihnen gelingt, den wahrhaft nicht schlechten Vorgänger sogar noch zu übertreffen. Viel mehr noch: Mit "L'enfant sauvage" haben Gojira endgültig die Spur der großen Genreväter Voivod verlassen und ihre eigene gelegt.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • L'enfant sauvage
  • Liquid fire
  • The gift of guilt

Tracklist

  1. Explosia
  2. L'enfant sauvage
  3. The axe
  4. Liquid fire
  5. The wild healer
  6. Planned obsolescence
  7. Impermanence
  8. The gift of guilt
  9. Pain is a master
  10. Born in winter
  11. The fall
Gesamtspielzeit: 52:28 min

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