Soulsavers - The light the dead see

V2 / Cooperative / Universal
VÖ: 18.05.2012
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Am Schalter

Dave Gahan war gerade erst von einer Krebserkrankung genesen, als Depeche Mode sich nach der Tour zu "Sounds of the universe" mal wieder eine ihrer üblichen Auszeiten nahmen. Gahan jedoch hatte gerade erst damit angefangen, sich Fragen zu stellen. Es waren Fragen zum eigenen Dasein und vor allem zur eigenen Vergänglichkeit, die öffentlich beantwortet werden wollten. Und weil die Soulsavers nach zwei gefeierten Alben mit Mark Lanegan und anderen Indie-Größen wie Will Oldham und Mike Patton gerade eine neue Stimme für ihre Schwermutdestillationen brauchten, fand man sich gegenseitig. Weil er vor knapp zwanzig Jahren bereits einmal klinisch tot gewesen war, konnte, wollte, musste Gahan das mit der Seelenrettung ganz wörtlich nehmen. Der Titel drängte sich geradezu auf: "The light the dead see".

Schon der morriconige Einstieg "La ribera" rührt mit Mundharmonika und schweren Streichern im Fass mit dem Pathos, ohne Gahans Stimme überhaupt zu bemühen. Als aber "In the morning" mit schwerer Orgel, zitternden Geigen und wehenden Gitarren einsetzt, ist Gahan sofort in seiner Lieblingspose. Wenn er "I'm lost in now" röhrt, weht ihm die Musik dramatisch entgegen. Er braucht sich vor der herausfordernden Inbrunst nicht zu verstecken, denn er war schon immer der Leidensmann im Licht aller verfügbaren Scheinwerfer.

Nicht nur in diesem Moment strotzt "The light the dead see" vor gut abgehangenem Testosteron, das sich an der eigenen Midlife-Crisis berauscht. Der akustische Folk der Strophe kippt im Refrain in brutzelndes Gitarrengetöse. In dieser staubigen Mischung aus arenatauglichem Zeitlupenrock und bebendem Gospel lassen sich weder die elektronischen Wurzeln der Soulsavers noch Gahans Synthpop-Vergangenheit nachweisen. Und das führt zu erstaunlich kitschresistenten Ergebnissen: "Touch" lässt im 6/8-Takt Klavier und Zerrgitarren aneinander reiben, und Gahan inszeniert seine Kopfstimme. In der Single "Longest day" überbieten sich das perlende Klavier und der tremolierende Chor gegenseitig an Melancholie und Beschwörung. "I can't stay" wirft sich in zweifelndes Unbehagen voller Rotweingeigen und wuchtigem Soul. "I feel that my time is running out / I know that much is true." Das ist nicht immer so tiefschürfend wie beabsichtigt, entwickelt aber eine geradezu klassizistische Kraft.

Damit retten die Soulsavers vielleicht nicht Gahans Seele, aber sie geben ihm die Kraft zurück, sich ganz der Musik hinzugeben. Kollege Gore gab ihm dazu zuletzt selten Gelegenheit. Und waren Gahans Soloalben eigentlich nur minimalvariierte Ausgaben seiner Hauptband mit schlichteren Melodien, helfen Rich Machin und Ian Glover jetzt mit passenden Songs. Wo sich deren schleppende Elektronik immer schon von Rock, Soul, Country und Gospel inspirieren ließ, schmissen sie jetzt die Schaltkreise raus und verquirlten den Rest zu bebendem Rock. Lanegan hätte dem seinen Rost entgegengehalten und jeden Einfaltsverdacht damit pulverisiert. Und dennoch erlaubt diese Musik Gahan, aus der Routine auszubrechen und vergessen geglaubte Höchstleistung zu zeigen. So sieht "The light the dead see" in der Tat das Licht. Das Licht glimmender Röhrenverstärker und flackernder Lavalampen.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • In the morning
  • Longest day
  • I can't stay
  • Tonight

Tracklist

  1. La ribera
  2. In the morning
  3. Longest day
  4. Presence of God
  5. Just try
  6. Gone too far
  7. Point sur pt. 1
  8. Take me back home
  9. Bitterman
  10. I can't stay
  11. Take
  12. Tonight
Gesamtspielzeit: 43:52 min

Im Forum kommentieren

heidl

2012-05-26 23:42:57

Bin auch eher enttäuscht.
Natürlich hört man sofort wieder das typische Soulsavers Songwriting, allerdings kann ich nicht anders und muss mich jedesmal fragen, wie geil das mit Lanegan werden hätte können.

"Longest Day" gibt ein gutes Beispiel her, wie Gahan vergeblich versucht gegen den bereits vertrauten Gospelchor anzusingen, er hat aber leider einfach nicht das Volumen und den Bass in seiner Stimme, die hier notwendig wären.

Tja schade, ich hoffe Lanegan steht bei Album Nr. 5 wieder hinterm Mikro.

Ardra

2012-05-23 19:29:17

Nachdem ich nun ebenfalls reingehört habe muss ich sagen: ist nicht mehr so mein Fall, wie es die Vorgänger waren.

Gahan ist ohne Frage ein guter Sänger, die Stücke sind ebenfalls gut, aber die Stimmung, die Lanegan ausgelöst hat, kommt da nicht mehr auf.
Das ist natürlich vollkommen subjektiv und wird sich vielleicht irgendwann mal relativieren, aber bis dahin bleibe ich bei den beiden Alben vor diesem hier.

IFart

2012-05-23 17:53:13

nein, das müsste die nächste 10/10 sein

IFart

2012-05-23 17:49:09

Anwärter der nächsten 10/10?
Oder mit Gahan zu populär?

Walenta

2012-05-22 14:58:43

Schönes Album. Aber warum sind die Threads zu 'Broken' und 'The Light....' zusammengefasst?

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