Richard Hawley - Standing at the sky's edge
Parlophone / EMIVÖ: 04.05.2012
Der Zweireiher
Man kann bei Richard Hawley um den heißen Brei herumreden wie man will, am Ende kommt man dann doch immer wieder zum gleichen Schluss: In seiner englischen Heimat wird der mittlerweile 45-Jährige als Gitarrenheld gefeiert, und für Leute, die in den Siebzigern geboren wurde, ist er mit seiner Haartolle einer der coolsten Hunde überhaupt. Mitverantwortlich für den Britpop soll er gewesen sein, als er Mitglied bei den Longpigs war. Das ist lange her. Bei den jüngeren Musikliebhabern versuchte er mit einem Song Punkte zu sammeln, den er gemeinsam mit den Arctic Monkeys - vor ein paar Jahren selbst die coolsten Hunde ihrer Generation - aufnahm. Er endete als B-Seite. Das ist gar nicht mal so lange her, hat aber dennoch kaum jemanden wirklich gejuckt. Fakt ist, dass Hawley bei allem Talent an den Saiten und trotz des durchaus vorhandenen Coolness-Faktors immer in der zweiten Reihe stand, hinter den noch Cooleren. Sei es Crispin Hunt bei den Longpigs gewesen oder natürlich Jarvis Cocker bei dem übergroßen Britpop-Monster namens Pulp. Selbst Alex Turner oder auch Guy Garvey von Elbow stahlen ihm bei den einzelnen Songs, bei denen er mitspielen durfte, die Show.
So gesehen hat der Mann im Grunde nichts zu verlieren. Mit "Standing at the sky's edge" liegt nun seit siebtes Soloalbum vor, auf das die Welt nun nicht unbedingt gewartet hat. Doch bei allen harten Worten: Hawley ist und bleibt ein alter Hase, der mit über 20 Jahren im Musikgeschäft genug Erfahrung gesammelt hat, um zu wissen, wie das Spiel geht. Insofern macht er seine Sache gar nicht schlecht. Der Opener "She brings the sunlight" startet, mit Streichern und Sitar bepackt, mit einem mysteriösen Unterton, bis Hawley schließlich aufs Distortion Pedal steigt und so schnell nicht mehr runterzukriegen ist. Bereits im ersten Song leben die 90er Jahre wieder auf, mit zerrissenen Jeans und Union-Jack-Aufnähern, Karohemden für die Männer und bauchfreien Tops für die Frauen vor dem geistigen Auge. Das volle Programm also. Viel ruhiger und gelassener wird es auf "Seek it", das sich tatsächlich ganz ungeniert mit der ewigen Suche nach der Liebe beschäftigt, während das stürmische "Down in the woods" seine Hörer mit der Frage "Won't you follow me down / Down in the woods / Come back feeling good" zunächst überfordert und schließlich zu bösen Spielchen anstachelt.
Hätte "Standing at the sky's edge" mehr solcher Songs zu bieten, gäbe es für Hawley nicht mehr dieses Problem: Monotone Lückenfüller wie ausgerechnet der Titeltrack und "The wood collier's grave" oder auch das von hundert anderen Bands schon hundert Mal totgespielte "Time will bring you winter" locken niemanden mehr hinterm Ofen hervor. Hawley aber spielt immer die sichere Karte und bleibt so immer und immer wieder ein paar Schritte hinter allen anderen zurück. So bleibt auch die Frage offen, warum er den wirklich guten Abschlusssong "Before", der drei Minuten lang eine mehr als angenehme Melancholie mitschwingen lässt, in ein geradezu überflüssiges Gitarrengewitter ausarten lassen muss. Aber genau das ist Hawley, und daher wundert es kaum noch, warum der Mann die zweite Reihe eigentlich nie verlassen hat - langsam sollte er aber aufpassen, dass die Leute hinter ihm nicht anfangen zu schreien, er solle sich gefälligst hinsetzen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- She brings the sunlight
- Down in the woods
- Leave your body behind you
Tracklist
- She brings the sunlight
- Standing at the sky's edge
- Time will bring you winter
- Down in the woods
- Seek it
- Don't stare at the sun
- The wood collier's grave
- Leave your body behind you
- Before
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