Eisblume - Ewig
UniversalVÖ: 03.02.2012
Vera R. Schung
Es ist schon ziemlich faszinierend, was sich mittlerweile alles ungestraft den Stempel "Gothic" anheften darf. Ob nun gescheiterte NDH-Beefcakes im Testosteron-Rausch oder glattgebügelte Möchtegern-Düsterfürsten, die bei Carmen Nebel und Konsorten für die ach so bizarren Ohoho-Momente sorgen sollen - sie alle sorgen dafür, das Vollblut-Schwarzkittel mehr und mehr in Erklärungsnot für ihr Lieblingsgenre geraten.
Und dann ist da noch der Schulmädchen-Goth einer gewissen Ria Schenk alias Eisblume, die vor drei Jahren bereits mit ihrem Debüt "Unter dem Eis" dermaßen fulminant einschlug, dass sich selbst die melancholischsten Schwarzwurzeln verstohlen eine Lachträne aus dem Augenwinkel wischten. Der Albumtitel "Ewig" mag da bereits als Drohung verstanden werden. Doch was passiert? "Für immer" beginnt mit einem wunderbaren Piano-Intro, das mehr erwarten lässt. Jedoch nur, um nach kurzer Zeit vom allfälligen Pathos ersäuft zu werden. Hübsch begonnen, Chance bravourös versemmelt. Zumal freundlicherweise die wirklich wunderschöne Vorlage "River flows in you" des koreanischen Pianisten Yiruma zum Vergleich das Album abschließen darf.
Zum Brot macht sich allerdings vor allem wieder die Hintermänner-Allianz Ingo Politz und Bernd Wendlandt, die auch heuer wieder zu allem fähig, aber zu nichts imstande sind. Beispiele gefällig? Wie wär's mit "Der Weg ist glatt, der Weg ist weit / Und meine Sinne sind verschneit" bei "So weit war ich noch nie" oder "Alles ist still / Der Wind hat sich zum Schlafen hingelegt" bei "Schlaflied"? Natürlich nur echt im Versmaß des hüpfenden Jambus. "Ein Liebeslied" hingegen ist dermaßen desaströs, dass sich die sogenannten Schöpfer schamhaft hinter den überaus kreativen Pseudonymen "Irgend Jemand" und "Kai Neahnung" verbergen.
Eigentlich ist man ja permanent versucht, das harmlose Geträller als Persiflage abzutun. Aber aus wirklich allen Songs sprüht ein dermaßener Ernst, dass der Gedanke an Karikatur schnell dem Entsetzen über die Realität weicht. Nur was ist die Zielgruppe? Schulmädchen in frisch geschwärzten H&M-Kleidchen mit dunkler Linie aus Muttis Kajal, denen Der Graf aber zu böse guckt? Die wieder einmal beschämten Genre-Fans werden's hoffentlich nicht sein. Ansonsten wäre die Probe aufs Exempel zu machen: Wir fordern hiermit einen Slot auf der Hauptbühne beim M'Era Luna oder dem Wave-Gotik-Treffen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Für immer
- Rivers flows in you
Tracklist
- Für immer
- Ich kann dich sehen
- So weit war ich noch nie
- Bis zum letzten Atemzug
- Ein Liebeslied
- Ewig
- Nimm sie mit
- Schlaflied
- Unzerstörbar
- Warten auf ein Wunder
- Zweites Gesicht
- Wunderkind
- River flows in you
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