The Shins - Port of morrow
Aural Apothecary / Columbia / SonyVÖ: 16.03.2012
Liebes Leben
"The naked man", "Nothing good happens after 2 A.M.", "Ted Mosby: Architect" - es hätte eigentlich nur noch gefehlt, dass The Shins ihren neuen Songs offensichtliche Titel wie die gegeben hätten. Nie wurde auf diesem Planeten eine andere Band gegründet, die das amerikanische Lebensgefühl alleinstehender Mittzwanziger besser vertonen könnte. Das Bier am Tresen, Freunde für immer, Abschied für immer, trauriger Dreitagebart - nicht umsonst sieht James Mercer aus wie ein Proto-Charakter aus "Scrubs", "O.C., California" oder eben "How I Met Your Mother". Seine Songs sind passgenau auf all die Drehbücher abgestimmt, die das komplizierte Leben melancholischer, zynischer junger Amerikaner abbilden. Und "Port of morrow" macht das beängstigend gut.
Mercer klingt dabei noch immer wie der Kompromiss aus John Lennon und Rivers Cuomo. Nahezu perfekt entwirft er sanfte Songs mit softem Beat und seichter Akustikgitarre, die manchmal ausbrechen, laut und lauter werden, bis sich das Schlagzeug überschlägt und die Gitarre losschrammelt. Das traurig-schöne "September" ist so eine mellowe Nummer, die mit Glockenspiel und Rassel daherkommt. Man sieht sich schon das Taxi herbeiwinken, Regen plätschert auf den maßgeschneiderten Anzug, New York sieht trostlos aus. Und Robin Scherbatsky weint. Die Kulisse ist so schön, dass man kaum merkt, wie falsch sie ist.
Zuweilen ist alles ein bisschen zu perfekt, zu glatt, zu gut. Das sanfte "For a fool" etwa plätschert so unschuldig vor sich dahin, so harmlos - und schon steckt man mittendrin in dieser Beziehungskiste und wird so hinterlistig um den zuckersüßen Finger gewickelt, dass man selig grinsen und es sich im Kitsch-Kosmos gemütlich machen möchte. Mal ehrlich: Dieses Leben will man doch sowieso leben. Also schnell ab ins "Central Perk" und bei Gunther einen Kaffee bestellen. Fühlt sich gut an und so vertraut. Als ob die besten Freunde schon auf der Couch sitzen würden. "Port of morrow" kennt man nach dem ersten Durchlauf schon gut genug, um ihm "How you doin'?" zuzurufen.
Das kann noch so cheesy sein, noch so vorhersehbar - man wird die Platte so schnell nicht los. Zu verführerisch sind Melodien und Songs, als dass man sie nicht direkt ins Herz schließen würde. Allein der psychedelisch anmutende Titelsong wirkt entrückt und schließt die Platte mit dramatischen Streichern und der dezent verstörenden Bridge aufregend ab. Fast so, als ob Radiohead plötzlich Wert auf Zugänglichkeit legen würden. Nach diesem erschütternden Abgang wünscht man sich ein Bier, ein Gespräch über sein Liebesleben und einen Freund, der die ganze Zeit im Anzug rumrennt. Das Leben kann so aufregend sein.
Highlights & Tracklist
Highlights
- It's only life
- For a fool
- Fall of '88
- Port of morrow
Tracklist
- The rifle's spiral
- Simple song
- It's only life
- Bait and switch
- September
- No way down
- For a fool
- Fall of '82
- 40 Mark Strasse
- Port of morrow
Im Forum kommentieren
The MACHINA of God
2020-09-16 11:28:21
WIe kann man "No way down" und "Bait and switch" nicht lieben? Ihr Banausen! :)
Peacetrail
2020-09-15 23:30:19
Habe mir mal "Chutes Too Narrow" für morgen runtergeladen. Wurde mir bei Amazon Music schon öfter angezeigt, könnte ich aber nix mit anfangen. Das Entdecken ist ja das Schöne bei PT.
MopedTobias (Marvin)
2020-09-15 23:12:13
Nicht mal "40 Mark Strasse"? Würd ich ohne zu zögern in eine Top 5 der Band packen.
Unangemeldeter
2020-09-15 23:10:39
Bei Wincing bin ich fast bei Yersinia - ein Inselalbum auch für mich. Von der Port of Morrow ist allein der Titeltrack auf diesem Niveau, der Rest leidet fast durchgängig an einfallslos-seichten Refrains. Gute Ansätze, aber kein gutes Album.
Felix H
2020-09-15 22:35:15
Platz 4 bei mir. Die drei letzten Songs sind wirklich toll, der Anfang auch. Dazwischen find ich es oft zu beliebig.
"Chutes" für mich ein absolutes 10/10-Album. Vorgänger und Nachfolger dahinter. Was nach "Port Of Morrow" kam, fand ich nur noch enttäuschend.
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