Of Montreal - Paralytic stalks
Polyvinyl / CargoVÖ: 10.02.2012
Vom Winde verwirrt
Bei Kevin Barnes geht es drunter und drüber. Zuerst läuft ihm die Frau weg, dann kommt sie wieder zurück, danach ein vielbeachteter Gastauftritt auf "The ArchAndroid", dem Debüt der neuen Soul- und Funk-Diva Janelle Monáe - und die Platten seiner Band Of Montreal strotzen ohnehin vor zischenden Faunen, skelettierten Beleuchtungskörpern, Teufelszeug auf dem Dachboden und anderen nervenaufreibenden Dingen. Auch wenn der wilde Ritt durch schwülen Indie, Funk-Versatzstücke, bunt gesprenkelten Psych und Prog-Rock zuletzt auf "False priest" einen zusehends disparaten Eindruck hinterließ. Auch "Paralytic stalks" geht aufs Ganze - und dürfte endgültig reihenweise heruntergeklappte Kinnladen nach sich ziehen.
"Speak to me", fordert der Frontmann im schwerfällig daherscheppernden Opener "Gelid ascent" und haut seinem Hörer in der Folge irre Tempowechsel, zerrende Dissonanzen und säuselige Abseitigkeiten um die Ohren. Der kehlige Singalong von "Spiteful intervention" versucht zumindest einen aufgekratzten Hit, "Dour percentage" spielt danach rückwärts den kompletten Backkatalog des Electric Light Orchestra auf Helium nach - da packt sogar der im Geiste irgendwo anwesende Jake Shears von den Scissor Sisters entnervt seine Siebensachen. Glam prallt auf Psychose, "Saturday Night Fever" auf die Nacht der langen Messer, und Barnes sagt zu sich selbst: "There must be a more elegant solution." Nur dass er Eleganz fortwährend mit einer Art Extravaganz verwechselt, die einem auch schwer auf den Senkel gehen kann.
Daran ist aber nicht nur er allein schuld, sondern auch der mit Gefiedel, Holzbläserei und sonstigem Getröte befasste Teil seiner Band, der die teilweise überlangen Songs immer wieder aufs Glatteis unablässig morphender Psychedelia führt. Dazu bricht "We will commit wolf murder" nach der Hälfte krachend durch eine Schicht komplexer HipHop-Rhythmen, und "Ye, renew the plaintiff" verabreicht dem Zeugen der Anklage fast neun Minuten lang großzügige Elektroschocks. Man selbst weiß inzwischen kaum mehr, woher der Wind überhaupt weht - nur dass er unverkennbar nach Substanzen müffelt. Die Hoffnung auf euphorische Uptempo-Klopfer Marke "Suffer for fashion" oder einen funky Popowackler wie "ID engager" ist zu diesem Zeitpunkt schon lange begraben.
Denn je weiter dieses Album fortschreitet, desto hermetischer und unversöhnlicher werden die Strukturen und entfernen sich Of Montreal von ihren früheren Pop-Anwandlungen. "Exorcismic breeding knife" und "Authentic pyrrhic remission" lesen sich nicht nur wie bewusstseinserweiternde Traktate philosophischen Anspruchs, sondern klingen über weite Strecken auch so: Instrumente stülpen sich um, Soundscapes laufen ins Leere, Breakbeats werden plötzlich mit einem verträumten Klavierballaden-Part aufgebrochen, bis eine Frauenstimme abschließend konstatiert: "Our illumination is complete" - und offensichtlich die einzige ist, der hier ein Licht aufgeht. Dieser Wahnsinn hat Methode und Barnes offensichtlich so viele Fliegen im Kopf, dass man ihm nur schwer zu folgen vermag. Für zwei Ohren und ein Hirn ist "Paralytic stalks" jedenfalls zu verwirrend - zumindest in dieser Hemisphäre.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Spiteful intervention
- Dour percentage
Tracklist
- Gelid ascent
- Spiteful intervention
- Dour percentage
- We will commit wolf murder
- Malefic dowery
- Ye, renew the plaintiff
- Wintered debts
- Exorcismic breeding knife
- Authentic pyrrhic remission
Im Forum kommentieren
Jeremy Pascal
2012-04-25 00:54:44
Das war ein ganz tolles Konzert letzte Woche...
Vorband waren zwei Mitglieder auf Solopfaden, klang nach einer Mischung aus M83, MGMT und naja, Erasure, aber in einem positiven Sinne, sehr guter Auftritt...
Und Of Montreal, was soll man sagen ich bin überwältigt..In der doch sehr kleinen Werkstatt (Köln) mit acht Musikern auf der Bühne, zwei Drummers, bis zu vier Gitarren und sonst auch sämtliche Instrumente wie Saxophon, Querflöte, Geige und Orgel.
Gerade die Songs von "Hissing Fauna..." und auch "The Party's Crashing Us" klangen in der kleinen Location unheimlich gut.
Highlight waren aber die beiden Tänzer (somit 10 auf der Bühne), die bei jedem Stück das Kostüm wechselten und von den typischen Animationen angestrahlt wurden, entweder schwarz gekleidet mit weißen, Regenschirmen usw. oder in weiß, mit Outfits, auf die Lady Gaga neidisch sein dürfte.
Oder einfach als Schweine in der Zugabepause oder als Superhelden mit synchronem Stage-Diving.
Ganz, ganz tolles Konzert war das...
Jeremy Pascal
2012-01-30 21:54:29
Ich finds besser als die letzten beiden Alben, irgendwie nicht mehr ganz so überdreht und mit den Grenzen des guten Geschmacks spielend.
Tendiere zur 07/10
koe
2012-01-30 21:34:33
Finds ganz gut, 5/10 ist daher ein Witz.
Gordon Fraser
2012-01-11 18:20:43
Nicht ganz.
Die letzten Alben im Überblick:
Satanic Panic in the Attic 8/10
The Sunlandic Twins 6/10
Hissing Fauna, Are You the Destroyer? 9/10
Skeletal Lamping 6-7/10
False Priest 8/10
Was aber richtig ist: "Paralytic Stalks" ist eine Zumutung, kein einziger zündender Song, dafür fast 60 Minuten Füllmaterial. Schade.
Achim
2012-01-09 19:52:30
das dritte schlechte Album in folge.
Achim.
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