Mark Lanegan Band - Blues funeral

4AD / Beggars / Indigo
VÖ: 03.02.2012
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Wahrhaftig leibhaftig

Ist der Teufel aus Fleisch und Knochen? Oder besteht er aus einer schwabbeligen Gallertmasse? Vielleicht auch aus etwas ganz anderem? Man weiß es nicht. Sollte er aus Fleisch und Knochen bestehen, dann wird er sich sicherlich ein Loch ins Knie freuen. Weil nach einigen Jahren der Absenz endlich einmal nicht mehr nur Nick Cave auf eine Tasse Tee vorbeischaut, sondern auch mal wieder sein alter Kumpel Mark Lanegan. Wahrscheinlich wird der Beelzebub etwas verdutzt gucken, weil Lanegan diesmal neben seiner Gitarre auch eine Drummachine und einen Synthesizer im kargen Gepäck hat. Die braucht der Mann, wenn er dem Leibhaftigen seine neuen Songs vorspielen möchte. Denn anders als beim im Lauten wie im Leisen großartig wuchtigen Vorgänger "Bubblegum" befindet sich Lanegan nicht mehr in seiner Queens-Of-The-Stone-Age-Phase. Walzende Gitarrenwände waren einmal. Elektro ist heute.

Natürlich möchte Lanegan auch auf seinem ersten Soloalbum seit rund acht Jahren nicht auf seine guten Freunde verzichten. Alain Johannes ist erneut als Produzent an Bord, und auch Jack Irons, Greg Dulli sowie Josh Homme begleiten Lanegan auf dem Weg in den Hades. Der Titel der ersten Single ist dabei wegweisend. Über schrubbender Gitarre und dreckigem Beat erzählt "The gravedigger's song" gewohnt finster die Geschichte einer glücklosen Liebe. Und erinnert damit sehr an "Bubblegum", wenn Lanegan den Blues bekommt und singt: "Shovel down six feet / With a head heavy pain / The magnolia blooms so sweet / And it fades just the same". Motive der Vergänglichkeit und des Todes dominieren auch viele der anderen Songs. Im in aller Ruhe vor sich hin wabernden, mantrahaften "Bleeding muddy water" ertrinkt der Protagonist in sechs beklemmend quälenden Minuten, im "Phantasmagoria blues" halluziniert Lanegan unter dem Einfluss von was auch immer vom elektrischen Stuhl.

Der Ton auf "Blues funeral" ist zwar ein anderer als noch 2004, doch Lanegans diabolischer Duktus bleibt derselbe. Auch die stilistische Zerrissenheit des letzten Soloalbums findet sich hier: Was die zwölf Songs zusammenhält, ist eben diese Stimme, die in ihren 47 Jahren viel zuviel Whiskey und Zigaretten ertragen musste und manchmal dermaßen verscheuert klingt, als käme sie direkt aus dem Fegefeuer. Den größten stilistischen Bruch zu "Bubblegum" machen dann auch tatsächlich die Spielereien mit der Drummachine aus, die für einen etwas weniger organischen, nicht ganz so lebhaften Sound sorgen. Lanegan nutzt diesen mitunter statischen Zustand, rettet sich in sphärische Repetitionen und hämmert dem Hörer seine bedrückenden Visionen so lange in den Kopf, bis sie drohen, Gestalt anzunehmen. "Blues funeral" ist in seiner Gesamtheit sehr klaustrophobisch geraten.

Der einzige Wermutstropfen in diesem Gemenge aus großartig düsteren Songs ist "Ode to sad disco", das den Titel allzu wörtlich nimmt und Lanegans Spinnereien mit elektronischem Gedöns ganz klar überreizt. Viel schlimmer noch: Der mittels eines leblosen Eurotrash-Plastikbeats vor sich hin knödelnde, über sechs Minuten lange Track treibt einen Keil zwischen "Riot in my house" und "Phantasmagoria blues". Dabei hört es sich ohne "Ode to sad disco" doch viel schöner. Doch zum Glück kann man Songs auch überspringen und muss sich "Blues funeral" nicht künstlich mies machen. Warum auch? Das Album erreicht zwar nicht ganz die Intensität des Vorgängers, ist aber immer noch verteufelt leidenschaftlich. Man könnte meinen, der Fürst der Finsternis hätte persönlich seine Finger im Spiel. Vielleicht weiß Lanegan ja mehr als wir und er ist gar nicht nur zu Besuch dort unten. Ob Irons, Dulli und Homme eventuell schon einmal dem Beelzebub persönlich begegnet sind?

(Kai Wehmeier)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The gravedigger's song
  • Bleeding muddy water
  • St. Louis elegy

Tracklist

  1. The gravedigger's song
  2. Bleeding muddy water
  3. Gray goes black
  4. St. Louis elegy
  5. Riot in my house
  6. Ode to sad disco
  7. Phantasmagoria blues
  8. Quiver syndrome
  9. Harborview hospital
  10. Leviathan
  11. Deep black vanishing train
  12. Tiny grain of truth
Gesamtspielzeit: 56:36 min

Im Forum kommentieren

fuzzmyass

2020-05-11 02:17:31

Das Album ist der Wahnsinn...

Rainer

2020-05-10 01:00:18

Grad wieder. Bleeding Muddy Waters ist so unkaputtbar. Da möchte man sich einfach nur reinlegen.

VelvetCell

2019-12-04 00:14:03

Harbourview Hospital ...

fuzzmyass

2019-12-04 00:02:44

Agree - eine seiner besten. Nur Highlights. Gravediggers Song, Bleeding Muddy Water, Riot In My House, Ode To Sad Disco....

Unfassbar, was für ein hochwertiges Output dieser Mann hat. Da fällt es schon schwer wirklich ein bestes Album zu küren. Bkues Funeral wäre aber definitiv in der engen Auswahl.

VelvetCell

2019-12-03 23:32:54

Stimmt. Eines seiner besten. Die neue ist aber auf ähnlich hohem Niveau.

Oder: Auf ähnlich sehr hohem Niveau. Denn auf hohem Niveau ist er ja immer,

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