...And You Will Know Us By The Trail Of Dead - Source tags & codes

Interscope / Motor / Universal
VÖ: 11.03.2002
Unsere Bewertung: 10/10
10/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Fear and loathing

Weil der englischen Sprache entsprechende Hauptwörter fehlen, gibt es einige deutsche Ausdrücke, die eins zu eins übernommen worden sind. "Kindergarten" gehört dazu, "Leitmotiv" und nicht zuletzt "Angst", ein Zustand, den amerikanische Wörterbücher etwas ungewandt mit "ein Gefühl von Beklemmung, von Besorgnis oder Unsicherheit" umschreiben. "Angst" taucht derzeit häufiger im US-amerikanischen Feuilleton auf; mit ein Grund dafür sind ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead, die dank Major-Vertrag mit "Source tags & codes" erstmals auch Journalisten jenseits der Fachpresse beschäftigen. Daß sich die Intelligenzija um die vier blutjungen Texaner kümmert, liegt jedoch nicht nur an optimierten Vertriebskanälen und professionalisierter Promotion, sondern auch und vor allem an der Platte selber, die vor Einsichten, Erkenntnissen und Cleverness nur so strotzt.

Zuallererst ist "Source tags & codes" aber ein großes, kantiges Stück Indie-Rock im besten Genresinn, ohne Furcht vor dem Losbrettern und ohne falsche Bescheidenheit. Die Einflüsse sind ebenso klar wie zahlreich, die Songs ebenso kompakt wie ausgeklügelt. Das Schlagzeug schlingert nach No-Wave-Fahrplänen, der Baß markiert scheinbar unverrückbare Präsenz, die Gitarren klingen nach aufwendigem Studium der Spartenheroen, und zuvorderst fräsen untrainierte Stimmen Schneisen in die Tracks, ohne Angst vor wundgeschriehenen Lungen und unappetitlichen Blut-Spucke-Mischungen. Hymnen hängen in der Luft, Melodien sprinten davon, prallen ab, treten und wüten. Der längst ideologiegewordene Exzess legt das Tempo vor, die Band zieht nach, reißt kompromißlos mit, fügt Riff zu Riff und Staub zu Staub, um zu guter Letzt versöhnlich zu verglimmen.

Um genretypische Purismuskonventionen scheren sich ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead nicht. Die unwahrscheinlich dichten und engen Songs werden von akustischen Spielereien gesäumt, von atypischen Streicher- und Pianoparts und psychedelikschwangeren Samples, ohne jedoch die Hauptstoßrichtung der Songs jemals in Frage zu stellen. Vorsichtig dosierter Pathos trägt zur Intensität bei, statt der Selbstgefälligkeit zu verfallen. Waghalsige Plot- und Strukturvarianten machen die Platte nicht unnötig kompliziert, sondern packend, mitreißend und immer wieder motivierend. So hat Indie-Rock hier und jetzt zu funktionieren, besser geht nicht: Als Rockplatte ist "Source tags & codes" unglaublich mutig, als von Innovation angetriebenes Platte hat sie den Charme und die nötige Bodenhaftung, um auch weniger couragierte Kreise für den verdichteten Exzess zu begeistern.

Die wirklich großen Errungenschaften dieser Platte sind allerdings nicht irgendwelche Teilerfolge oder freistehende Wahnsinnsmomente im Nirgendwo zwischen Post-Punk, Hardcore, Post-Rock und Emo; ihre herausragendste Fähigkeit ist es vielmehr, die vielfältigen Einflüsse, Sichtweisen und Ausprägungen zusammenzuführen und zu bündeln, zu verdeutlichen. Das zu Euphorie und Ekstase gesteigerte Ohnmachts- und Orientierungslosigkeitsgefühl, das Generationen von Rockbands antrieb und noch immer antreibt, nährt die Platte; "Angst" eben, auf dreizehn Tracks herunterdestillierte Wesentlichkeit, läßt die Platte vorwärtspreschen und die Band schlußendlich über sich selbst und alles andere hinauswachsen.

(Adrian Schulthess)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • It was there that I saw you
  • Homage
  • How near how far
  • Source tags & codes

Tracklist

  1. Invocation
  2. It was there that I saw you
  3. Another morning stoner
  4. Baudelaire
  5. Homage
  6. How near, how far
  7. Life is elsewhere
  8. Heart in the hand of matter
  9. Monsoon
  10. Days of being wild
  11. Relative ways
  12. After the laughter
  13. Source tags & codes
Gesamtspielzeit: 48:17 min

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Hierkannmanparken

2024-01-30 20:23:11

Hab mit Reece ein paar Schnäpse gezockt. Ich weiß gar nix mehr. Source Tags: 10/10

Sloppy-Ray Hasselhoff

2024-01-30 19:52:33

hab mit keely mal ein paar schnäpse gezockt. er hat mir seine wirkung der zeichnungen erklärt. source tags. du meine güte. best shit. klare 10.

7th Seeker

2024-01-30 19:30:00

Gerade nochmal gehört, nachdem mir der Spotify-Algorithmus nach Ablauf eines Postrock-Albums aus dem Nichts Invocation in die Queue gespült hat.
Vllt ist mein Urteil auch nostalgisch verklärt, aber für mich ist es noch immer zeitlos magisch und eine klare 10/10

Manicmax

2023-10-19 17:54:35

Hierkannmanparken- sehr interessant, die Parallele hab ich so noch nicht bemerkt. Aber Du hast schon recht. Billy Corgan at his best...

MCIS und Worlds Apart - sind Dauerbrenner in meiner Playlist und und beides absolute Meisterwerke (Source Tags natürlich auch).

Hierkannmanparken

2023-10-19 16:45:15

The smashing pumpkins - Thru the eyes of ruby

Das Intro hat auf jeden Fall was von der Source Tags/Worlds Apart-Ära. Krass, dachte erst es handle sich um einen mir unbekannten ToD-Song.

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