Wild Flag - Wild Flag

Wichita / PIAS / Rough Trade
VÖ: 04.11.2011
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Die Supergirlgroup

Letztens beim imaginären Pop-Kultur-Stammtisch unseres Vertrauens: "Was ist eigentlich aus den Riot-Grrrls geworden? Weiß das jemand?" Der Trottel, der immer in der abgedunkelten Ecke sitzen muss, warf flapsig "Riot-Mothrrrs?" in den Raum. Hüstel. Nun gut. Jedenfalls hat sich die Frage mit dem Debüt-Album von Wild Flag geklärt. Die versammelte Elite der feministischen Rockmusik in einer Band vereinigt, darunter mit Janet Weiss und Carrie Brownstein zwei ehemalige Mitglieder der gefeierten und vermissten Sleater-Kinney. Jeder, der ein offenes Ohr für knarzigen Rumpel-Rock mit Frauenstimmen hat, dürfte hiermit also voll auf seine Kosten kommen. Das ästhetisch am Nullpunkt anzusiedelnde Paint-Cover können sich die Feingeister nach Bedarf ja einfach wegdenken oder mit Edding übermalen.

Wild Flag besteht neben den beiden ehemaligen Sleater-Kinney-Mitgliedern noch aus Mary Timony, vormals bei Helium, und Rebecca Cole, die einst bei The Minders hinter dem Keyboard stand. Folglich generiert sich das Quartett als eine Art Hybrid aus Supergroup und Girlgroup, Haare auf den Zähnen sucht man indes vergebens. Mehrstimmige Melodiegesänge, schiefe Keyboardflächen, ungezügelte Gitarren- und Bassläufe, sowie das stets polternde Getrommel von Janet Weiss: Wild Flag produzieren ihren Rock eher roh als medium, archaisch-rudimentär darf es im Karton rappeln. Muss es eigentlich sogar.

Das quengelnde "Romance" verknotet dem Hörer bereits früh die Ohrmuscheln, die Gitarren wetteifern mit dem restlichen Gedöns, irgendwann streuen Wild Flag Handclaps ein, rasieren sie wieder und lassen den Song schlussendlich komplett von der Leine. Mit viel Rauch und Übersteuerung knarzt "Boom", der gelenkige Punkrocker auf dem Album. Generell verstehen es Wild Flag, ihren Punkrock mit Keyboardflächen und Orgeln anzureichern, womit er sich aus der Masse abhebt, ohne zu handzahm und oberflächlich zu werden. Zum Kernstück des Albums mutiert das hypnotische "Glass tambourine", welches in der Mitte auseinanderbricht, vom wilden Jam-Part wieder zusammengekittet wird, um danach doch noch zu Kleinholz verarbeitet zu werden.

Mit fröhlichem Gedudel und Westerngitarren betört "Short version", das trotz dieses Titels auch nicht viel kürzer ist als die restlichen Stücke des Albums. Während hier noch verquerer Sprechgesang im Mittelpunkt steht, wird im folgenden Song, "Electric band", richtig gesungen, auch wenn Wild Flag generell nicht sonderlich viel auf obsolete Herkömmlichkeiten wie Refrains setzen. Dies dürfen andere erledigen. Die vier Frauen konzentrieren sich viel eher auf die eigene Muskelkraft, spielen gut abgehangenen, erdigen Indie-Rock mit Kratzern und Dellen. Mal sagen: Musik für Leute, die gerne auf rostigen Fahrrädern zum Flohmarkt fahren, um dort alte Bikini-Kill-Platten für 50 Cent zu kaufen.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Glass tambourine
  • Short version
  • Electric band

Tracklist

  1. Romance
  2. Something came over me
  3. Boom
  4. Glass tambourine
  5. Endless talk
  6. Short version
  7. Electric band
  8. Future crimes
  9. Racehorse
  10. Black tiles
Gesamtspielzeit: 40:04 min

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  • Wild Flag (10 Beiträge / Letzter am 04.01.2012 - 17:05 Uhr)