Dillon - This silence kills

BPitch Control / Rough Trade
VÖ: 18.11.2011
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Frau Dr. Best

Schon das Cover wird die Gemüter spalten. Ist das die arrangierte, traurige Leere einer jungen, dunkel gekleideten Frau oder nur ein konstruiertes, konzeptioniertes Indie-Emo-Girl mit Strasssteinen über ihren Augenrändern? Über den Schmuck lässt sich streiten, Dillon aber ist kein geformtes Produkt, sondern eine junge Frau mit gerade einmal 23 Jahren, die sehr lange gewartet hat, bis sie ihr Debütalbum veröffentlichen konnte und wollte. Seit ihrem ersten Auftritt sind mitterweile fast viereinhalb Jahre vergangen. Zeit, die sie genutzt hat, um herauszufinden, wie Songs, die sie live vorträgt, auf Platte klingen und wirken sollen.

"This silence kills" schreit. Der Titeltrack lässt Dominique Dillon De Byington schier monoton schmerzend aufsingen, es rumort, und metallene Rohre machen aus dem Song ein perkussiv klapperndes, post-dubsteppiges, minimalistisches Gebilde, in dem es unentwegt flirrt und das Piano der vielleicht organischste Part ist. Lo-Fi-Tech wäre eine unzureichende, zwischenbilanzierende Beschreibung, die schon mit der Single "Tip tapping" wieder hinfällig wird. Da sind Kinderstimmen im Hintergrund zu hören, bellende Hunde und natürlich Schritte, die Dillons Worte akustisch bebildern: "The sound of the leaves when my feet hit the ground / The sound of the leaves, when my feet bounce around." Dabei klingt sie wie Lykke Lis Liaison mit einer Tuba und lädt einen Chor ein, mit ihr zum Klackern der Ritter der Kokosnuss zu flanieren.

Im Takt der Marschtrommel singt Dillon in "Your flesh against mine" von vergessenen Zahnbürsten in ihrem Haus, und auch "Gumache" startet mit Worten von Frau Dr. Best: "Your toothbrush is where you left it / It sits right by the sink." Wenn an anderer Stelle Roboter auf die Suche nach Kristallen gehen, erweckt das ingesamt den Eindruck, als stolziere die Frau mit den brasilianischen Wurzeln mit purer Fröhlichkeit und Humor durch piano-dominierten, chansonesken (Chamber-)Pop. Der Eindruck aber täuscht: Sowohl die elektronische oder in "Abrupt clarity" teils tief technoide Ausarbeitung, als auch Dillons Texte tragen dunkel-choloriertes Werk.

Unter Fingerschnipsen wird ihre Stimme auf dem Instrumental von Jens Lekmans "Pocketful of money" in den ersten Sekunden von "Thirteen thirtyfive" immer heller, leicht hallig, während eine Harfe zupft und eine Art Cabasa Dillons Cha Cha untermalt: "I'll come running with a heart on fire" richtet sie noch etwas kraftlos den Blick Richtung Zukunft. Die unerwiderte Liebe eines Herren namens Alexander in "You are my winter" schmerzt noch immer, und so geraten die bedächtigen Aufschreie in "Undying need to scream" zur Selbsttherapie, bevor aus ihr eine gefühlskalte Eiskönigin zu werden droht. Dass sie etwas beschwingter durch die Miss-Li-Nummer "Hey Beau" tingelt, soll nicht darüber hinwegtäuschen, wie Dillon in "Texture of my blood" entwaffnende Grautöne verbalisiert und überdies nicht gerade mit Komplimenten gesegnet ist: "The most tender thing you've said to me / Is that I suffer from paranoia." Das ist natürlich ein Fehler. Sie ist nicht verrückt, man wird es nach ihr.

(Stephan Müller)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Tip tapping
  • Thirteen thirtyfive
  • You are my winter
  • __________
  • Texture of my blood

Tracklist

  1. This silence kills
  2. Tip tapping
  3. Thirteen thirtyfive
  4. Your flesh against mine
  5. You are my winter
  6. Undying need to scream
  7. __________
  8. From one to six hundred kilometers
  9. Hey Beau
  10. Texture of my blood
  11. Gumache
  12. Abrupt clarity
Gesamtspielzeit: 42:53 min

Im Forum kommentieren

ijb

2022-04-26 20:12:58

Ja, authentisch sehe ich's auch.
Ich meine nur, schade dass sie sich nicht viel Mühe gibt, stimmlich weiterzuentwickeln oder zu variieren; der Gesang hat ja schon oft sowas arg Mädchenhaftes (kindlich würde ich's auch nicht nennen), was bei einer Sängerin von Mitte-Ende 20 irgendwann ein bisschen schwierig wird. (Muss ich dazu sagen, dass das nur meine Meinung ist?) Wenn man sie in Interviews sprechen hört, merkt man ja, dass ihr Gesangsstimme deutlich mädchenhafter ist als ihre Sprechstimme.

Randwer

2022-04-26 19:30:53

Ich weiß nicht, ob ich Dillons Stimme als kindlich bezeichnen würde. Ich höre darin eher eine introvertierte Kraft und selbstbestimmte Zerbrechlichkeit. Es kommt auch nicht wie eine Masche daher, sondern absolut authentisch.

ijb

2022-04-24 22:32:11

Ich fand das Album auch immer toll. Auch das zweite nicht weniger. Allerdings fand ich dann ab dem dritten (Livealbum) und dem vierten zunehmend enttäuschend, dass sie einfach auf dieser kindlich-naiven Schiene geblieben ist. Mit zunehmendem Alter und mehr Lebenserfahrung wurden die naiven Texte dann irgendwie ein bisschen... naja, wie sag ich's... peinlich(?) Ich hätte mir auch gewünscht, dass sie auch stimmlich dann nicht immer auf dieser Kindlichkeit bleibt.

Dan

2022-04-24 19:57:54

Letztlich wieder an dieses Album gedacht. Finde ja, es ist einer der besten Debüts überhaupt aus Deutschland. Auch im Rückspiegel absolut authentisch, die Stimme, dieses kindlich, naive, absolut toll, da ist Lykke Li ja mittlerweile ganz woanders zu verorten, die hier ja oft genannt wurde. Songs, Produktion... Nach wie vor super.

m098

2016-10-08 09:06:07

einige starke stücke auf diesem album. mein fav: abrupt clarity!

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum