Iceage - New brigade
Abeano / XL / Beggars / IndigoVÖ: 02.09.2011
Der Zwei-Drittel-Exzess
Einige Gruppen, die sich heute einer gewissen LoFi- oder Noise-Ästhetik bedienen, schaffen es, damit etwas wie Authentizität und Rohheit, manchmal sogar Gewalt in ihre Songs zu legen. Auch wenn der Schritt zur schmutzigen Aufnahme meist absichtlich gewählt wird, hat der Rückbezug zu vergangenen Jahrzehnten im besten Fall nostalgischen Charme und kindliche Naivität. Doch das alleine reicht nie aus. Versteht man es nicht, große melodiöse Momente zu schaffen, kann man keine Hymne bis zu einem gleißenden Höhepunkt tragen. Spürt man nicht, wie extrem hart gerade drei bis vier Instrumente gespielt werden - dann wird es einfach schnell lahm oder wirkt dilettantisch.
Iceage, die in Musikblogs (und sogar der New York Times!) als neue Rettung des Punkrock gehandelt werden, kommen aus Dänemark. Sie sind jung und ihre Liveshows wilde Orgien aus Schweiß, Nasenbluten und Exzess. Hören kann man das auf "New brigade" nicht wirklich. Im Grunde ist es schon richtiger Punkrock: Es gibt halb gegrölte Chöre, die Gitarre schrammelt mit sich um die Wette, man gibt Gas und lässt im Break den Bass alleine fliegen, klingt wie ein Sechzehnjähriger, der die Ramones und Wire noch nie gehört hat, sich aber sehr gut vorstellen kann, was man damals so veranstaltete. Tatsächlich wurde schon seit längerer Zeit nicht mehr ein so puristisches Unterfangen an Punkrock wahrgenommen, scheint es, obwohl Iceage eigentlich unter dem englischen Gewand versuchen, wild Stile zu verschweißen. Leider schaffen sie es nicht konsequent, die nötige Spannung anzulegen oder einen Moment hoch genug zu treiben.
Nach einem sich groß ankündigenden Intro und dem schon ganz flott gespielten "White rune" rutschen Iceage aus dem Gothic-Punk ins uninspirierte Geballer. Nach dem dritten Hören denkt man gnädig: Ist ja doch ganz lustig, der Chorus, aber in Wirklichkeit wird sich hier nicht duelliert, sondern man spielt aneinander vorbei. Nicht im charmanten Sinne, sondern einfach nur vorbei. Da helfen auch kein leiernder Break oder die zwei, drei vom Bass getriebenen Stellen. In "Remember" wird die große Hymne geprobt, und bei "Rotang heights" das Tighte aus Post-Punk in Hardcore übersetzt. Die Dänen kommen mit "Broken bone" und "Collapse" an Test Icicles nicht vorbei, weil sie nicht genug grooven und legen an den meisten Stellen des Albums immer noch eine Wiederholung zu viel nach, als dass ein befreiender Moment wirklich erreicht werden könnte. Von Refused wäre gar nicht zu reden, hätten sie nicht wahrscheinlich ähnlich kalte Winter erlebt. Und so schnell und präzise wie die Hives werden Iceage am Ende auch nie.
Mit dem wiederholten Hören wird das ganze zwar immer anstrengender und fehlerhafter, aber auch immer besser. Die Rhythmus-Sektion ist oft drückend und zwingend eingestellt, was letztlich zu einem überdurchschnittlichen Album mit dem einen oder anderen unumgänglichen Moment führt. Um genau jenen Moment geht es natürlich, denn Iceage kümmern sich einen Scheiß um Perfektion und Kompromisse - aber um dem hoffnungsvollen Ruf aus dem Norden mit reinem Gewissen und aus vollem Herzen folgen zu können, bedarf es sicherlich noch ein paar Lektionen an Form und Stringenz. Die Voraussetzungen jedenfalls sind da.
Highlights & Tracklist
Highlights
- White rune
- New brigade
Tracklist
- Intro
- White rune
- New brigade
- Remember
- Rotting heights
- Total drench
- Broken bone
- Collapse
- Eyes
- Count me in
- Never return
- You're blessed
Im Forum kommentieren
saihttam
2018-01-03 04:27:03
Ist ja auch ein geiles Ding! Aber der Sound ist schon sehr speziell. Irgendwie ganz schön kaputt und durch. Das zündet sicherlich nicht bei jedem. Ein Kumpel, dem ich die Platte mal vorgespielt habe, sagte damals, er fände es musikalisch sehr bedenklich.
Gordon Fraser
2018-01-02 19:25:50
Komisch, damals bei der Veröffentlichung nie so wirklich gezündet bei mir. Und jetzt beim Wiederhören bin ich hellauf begeistert.
saihttam
2013-03-25 20:08:52
ah ja!
krasser Punk von der Uni
2013-03-14 17:35:02
wer in offenbach(wtf?!) spielt, is selber schuld. da kann man auch gleich in mösenstedt an der havel spielen.
demnach richtiges verhalten der band. die hätten euch am besten noch mit rostige hakenkreuze bewerfen müssen und nen FREI.WILD Coversong als Zugabe.
der neuen platte würde ich 8/10 geben, nicht ganz so gut wie nb.
saihttam
2012-07-10 01:21:06
das mit der geringen spielzeit der platte stimmt natürlich, aber die hatten sie trotzdem vielleicht gerade mal zur hälfte durchgespielt. bei den 20 minuten sind nämlich auch einige pausen zwischen den songs mit eingerechnet. insgesamt wirkten die jungs auch recht arrogant. aber wie schon gesagt, die geringe besucherzahl hat bestimmt auch seinen teil dazu beigetragen.
hab das album heut mal wieder seit langer zeit gehört und finds eigentlich immernoch ziemlich toll. vielleicht sind se ja beim nächsten konzert besser drauf :/
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