Wilco - The whole love

dBpm / Anti / Indigo
VÖ: 23.09.2011
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Die und ihre Welt

Ach, der gute Jeff Tweedy, der hat ja seit einigen Jahren so unfassbar viel Liebe zu geben. Auf "Sky blue sky" bat Tweedy noch darum, doch etwas Geduld mit ihm zu haben, er sei ja mittlerweile auf dem richtigen Weg. Auf "Wilco (The album)" war es dann soweit, da platzte es aus ihm heraus, "Wilco will love you, baby". Und um noch einmal sicher zu gehen, dass es auch wirklich jeder glauben kann und mitbekommen hat, geben uns Tweedy und seine Band mit ihrem achten Studioalbum nun ihre ganze Liebe. Die nehmen wir natürlich mit Kusshand. Auch wenn "The whole love" seine Zuneigung nicht mehr ganz so zurückgelehnt überreicht wie zu Zeiten von "Sky blue sky" und "Wilco (The album)". Nein, "The whole love" muss man sich wieder verdienen, wie zu seligen "Yankee Hotel Foxtrot"-Zeiten, als für Wilco nicht immer der einfachste Weg galt, um ans Ziel zu kommen.

Nun also semitanzbarer Knatter-Elektro, Folk, Country, Krautrock, Streicher, ausladendes Gitarren-Gegniedel - und das ist nur der über sieben Minuten lange Opener "Art of almost", der mit seinen perfekt ineinander greifenden, skizzenhaften Versatzstücken sehr an das große "I am trying to break your heart" erinnert. Und wohl einer der stärksten Songs der Band überhaupt ist. Eine große Leistung, ruft man sich noch einmal ins Gedächtnis, dass Wilco wahrscheinlich noch nie einen Song auf die Beine gestellt haben, der weniger als das Prädikat "gut" verdient. Da kann man aus dem Backkatalog blind wählen, es wird schon passen. Diejenigen also, die ein weiteres entspanntes Country-Folk-Album von dieser Band erwartet haben, werden nun gleich zu Beginn und mit Nachdruck aus "The whole love" gepurzelt.

Entwarnung sei aber gegeben: Nur ein einziges weiteres Mal lehnen sich Wilco dermaßen weit aus dem Fenster, nämlich bei der abschließenden Ballade "One sunday morning (Song for Jane Smiley's boyfriend)", dessen zwölf Minuten an der Akustikgitarre traumhaft leicht vorbeifliegen, so als seien Zeit und Raum vergessen. Zwischen diesen beiden Extremen finden sich die Songs, die einem kleinen Ritt durch die Bandgeschichte gleichkommen. Alles schon mal da gewesen, aber trotzdem nicht weniger wunderbar. In "I might" sowie in "Dawned on me" finden sich Referenzen an die Zeit rund um "Summerteeth". "Black moon" und "Open mind" hingegen erinnern mit ihrem melancholisch-glücklichen In-sich-selbst-ruhen an "Sky blue sky". Wilco schöpfen also ihr ganzes Repertoire aus, ohne sich dabei plump zu wiederholen. Sie dürfen ja mittlerweile fast alles machen, Tweedy und Kollegen. Genau diese Narrenfreiheit ist es, die Wilco einfach Wilco sein lässt, ganz ohne anstrengende Verrenkungen.

Darüber hinaus ist "The whole love" sehr pointiert geraten. Selbst die wenigen Auswüchse in "Art of almost" und "One sunday morning (Song for Jane Smiley's boyfriend)", die zu Zeiten von "A ghost is born" noch ausschweifender ins Kraut geschossen wären, erleben trotz ihrer Länge eine punktgenau Landung. Hier zerfasert absolut nichts. Alles ist gewollt, ist geordnet und himmlisch schön. Jeff Tweedy hat es erneut nicht geschafft, auch nur einen einzigen mittelmäßigen Song aufzunehmen. Hier schlägt das Herz, hier pulsieren die Adern, hier fließt das Blut und "The whole love" ist da. Einfach so. Die Jungs von Wilco sind mit sich und ihrer Welt glücklich. Wir sind es auch.

(Kai Wehmeier)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Art of almost
  • Capitol city
  • One sunday morning (Song for Jane Smiley's boyfriend)

Tracklist

  1. Art of almost
  2. I might
  3. Sunloathe
  4. Dawned on me
  5. Black moon
  6. Born alone
  7. Open mind
  8. Capitol city
  9. Standing o
  10. Rising red lung
  11. Whole love
  12. One sunday morning (Song for Jane Smiley's boyfriend)
Gesamtspielzeit: 56:30 min

Im Forum kommentieren

Hoschi

2021-10-06 13:11:18

Da gehe ich(fast) mit:
Art of almost, one sunday morning und whole love sind mindestens ne 9/10.
Der Rest ne 6/10 bis 7/10.
Es gibt aber auch keinen klassischen Song, welchen man partout skippen will, was bei vielen Alben anderer Bands ab 2015 der Fall ist.
Irgendwie schlimm wenn man sowas als positives Merkmal aufstellen muss ;)

MopedTobias (Marvin)

2021-10-06 13:07:19

Da bin ich ganz bei dir, dreckskerl. Opener und Closer sind Karriere-Highlights, daneben gefallen mir auch "Black moon", "Born again" und der Titeltrack sehr. Der Rest ist... durchwachsen.

dreckskerl

2021-10-06 12:22:48

Volle Zustimmung!

Einfach ein berückend schöner Song.
Wenn ein Album mit besonders positiven Erinnerungen verbunden ist, wertet dies enorm auf.

Ich sehe das Album insgesamt etwas schwächer, da es neben wenigen Großtaten auch ein paar der bis dato schlechtesten Wilcosongs beinhaltet.

Hoschi

2021-10-06 12:09:40

Gerade wieder "one sunday morning" angehört und komplett versunken.
Was ein Meisterwerk von einem Song !!!
der könnte noch 20min so weiter gehen.

Zum Album selbst:
Ich mag es sehr gerne, weil ich es mit einer tollen Zeit verbinde(viel am Reisen, wilden Jahre etc.)und würde direkt eine 8/10 vergeben.

Bin aber kein Wilco Fanboy bzw. kenn die anderen Alben nur flüchtig.

humbert humbert

2012-02-07 19:13:00

Stimmt schon, die neuen Songs sind nicht ganz so spektakulär wie die Alten.

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