Wolfgang Müller - Ahoi
Rintintin / IndigoVÖ: 24.06.2011
Auf großer Fahrt
Kann ja eigentlich kein Zufall sein, wenn ein Album "Ahoi" heißt. Ein Wort, das begrüßen, aber auch verabschieden kann, je nachdem, aus welcher Richtung der Wind weht. Es steckt Bewegung in diesem "Ahoi" und die Bereitschaft, sich auf sein Gegenüber einzulassen - und sei es auch nur das eigene Spiegelbild. Dass es immer zwei Seiten gibt, ist zugegebenermaßen nichts Neues, aber hier gibt es sogar noch mehr: sechs. Saiten. Und eine Stimme. Die von Wolfgang Müller aus Hamburg, dem man nicht gerecht wird, wenn man ihn einfach nur als Singer-Songwriter bezeichnet. Er beobachtet staunend den Wellengang des Lebens, ohne gleich zu verraten, dass er selbst mit allen Wassern gewaschen ist. Und damit meinen wir jetzt nicht seinen kunstvoll souveränen Umgang mit der Klampfe und die Tatsache, dass er sein Gefühl trotzdem nie an eine kühle Lässigkeit verkauft, sondern die wunderschöne, lebenskluge Poesie, die er aus den Stirnfalten des Alltags herauspult. "Musik zum Sitzen" nennt er seine Kleinode liebevoll. Drauf stehen kann man trotzdem.
"Wenn ein Flugzeug ein Schiff wär' / Würd' ich den Tag am Steg verbringen" sind die ersten Zeilen dieses Albums, "Die Fahrstühle fahren rauf aufs Dach" die letzten. Und dazwischen geht es um die Schwerkraft der Gedanken und die Leichtigkeit, die irgendwie immer am anderen Ende wartet. Es geht um die Perspektive und darum, die richtige Richtung zu finden. Müller hat da eine ganz klare Empfehlung: "Ich möchte leben wie Franzosen Auto fahren / Mal rechts, mal links, mal rückwärts / Vom jetzigen Standpunkt aus geht es immer nur vorwärts", singt er dezent beschwingt in "Leben wie Franzosen Auto fahren", dem vielleicht besten Stück der Platte. Und im Titeltrack "Ahoi", einer Schlaflied-Miniatur für seinen Sohn, rät er: "Und wenn das Meer mal nicht Dein Freund ist / Und der Wind Dir die Haare zerzaust / Und links und rechts nur Richtung ist / Fahr einfach geradeaus." Geradeaus - so sind auch Müllers Lieder, die in 36 Minuten zu elf Freunden werden. Sie fließen, sie wühlen auf, sie lindern und vor allem: sie verstehen. Und klingen, als würde Müller mit seiner Akustikgitarre im heimischen Wohnzimmer sitzen. Vielleicht sogar auf der Bettkante.
Dass die Stücke manchem bekannt vorkommen könnten, dürfte daran liegen, dass es sich um "11 Akustik-Versionen" handelt - so auch der Untertitel der Platte - von denen neun bereits auf Müllers 2007 erschienenem Debüt "In der Zwischenzeit" und auf dem Nachfolger "Gegen den Sinn" veröffentlicht wurden. Da wären zum Beispiel das Fingerpicking-Mirakel "Unterschiedlich schwer", die berührende Ballade "Oben" oder auch "Godot", eine bittersüße Szene aus dem Beziehungswartezimmer. Zwei neue Songs hat "Ahoi" aber auch zu bieten: "Fast wie von selbst" sinniert über eine Partnerschaft im Autopilot-Modus, die zwar nicht mehr so hoch fliegt wie früher, aber trotzdem immer wieder sicher landet, und auch "Immer noch Fahrrad" erzählt von einer etwas rostigen, aber nach wie vor rüstigen Liebe: "Die fährt immer noch Fahrrad / Die kommt doch immer noch klar / Ist schon lange nicht mehr gefallen / Kauft noch immer selber ein / Lass die noch ein bisschen hier sein." Zum Finale dann noch zwei hervorragende Live-Aufnahmen, darunter das strahlend schöne "Zu hell für die Nacht", und man ist sich sicher: Müllers Reise hat gerade erst begonnen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Immer noch Fahrrad
- Leben wie Franzosen Auto fahren
- Ahoi (Live bei TV Noir)
- Zu hell für die Nacht (Live bei TV Noir)
Tracklist
- Oktober
- Unterschiedlich schwer
- Immer noch Fahrrad
- Oben
- Leben wie Franzosen Auto fahren
- Godot
- Freunde
- Leiser
- Fast wie von selbst
- Ahoi (Live bei TV Noir)
- Zu hell für die Nacht (Live bei TV Noir)
Referenzen
Spotify
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