Death Cab For Cutie - Codes and keys
Atlantic / WarnerVÖ: 27.05.2011
Beklemmende Freiheiten
Death Cab For Cutie hätten es sich wahrlich einfacher machen können. Doch mit ihrem letzten Album schienen sie nach ihrem wahren Kern und nach dem Wesen ihres Selbst zu suchen - "Narrow stairs" klang nach vier Männern, die sich nicht entscheiden konnten, ob sie nun lieber zarten Gitarrenpop oder quertreibenden Indierock spielen wollen. Das Resultat war eine dichte, kompositorisch äußerst differenzierte Platte, die nicht überall auf bedingungslose Gegenliebe stieß. Mit ihrem siebten Album legen Death Cab For Cutie nun ein weiteres Puzzleteil: Die elf neuen Stücke ergeben ein schlüssiges Gesamtbild und verschmelzen zu einem atmosphärisch stimmigen, vielleicht sogar zum besten Album seit der Großtat "Transatlanticism". Endgültige Antworten gibt aber auch "Codes and keys" nicht: Zwischen luftige Gitarrenpop-Hymnen und frickelige Indietronics mischen sich vereinzelte Postrock-Momente, schlauer Sixties-Pop und andere Hirngespinste der beiden weltbesten Nerd-Freunde Ben Gibbard und Chris Walla.
Der Anspruch an das eigene Schaffen bleibt indes hoch. Denn wo wiederkehrende Motive und typische Stilmittel prägnante Willkommensgrüße aussprechen, muss die Spannung erst einmal aufrechterhalten werden, damit man nicht zu schnell ins ewig gleiche Muster verfällt. Und darin sind Death Cab For Cutie seit geraumer Zeit Meister und Champions-League-Sieger. Ihre Songs erinnern immer unverkennbar an dieses wohlige Bauchkribbeln, das man einst beim Hören von "The photo album" und "Transatlanticism" hatte, vermeiden es aber, sich selbst zu kopieren. Der Vorgänger flirtete aus diesem Grund mit etwas komplexeren Strukturen aus der Nähe des Indie-Prog, "Codes and keys" ergibt sich sanftmütig gleißender Electronica und könnte so im imaginären Stadtplan direkt in die Wohnung über The Postal Service einziehen.
Erneut beweist der Vierer aus Washington ein Händchen für grandiose Opener. So flattert "Home is a fire" nervös los, besingt dabei aber auf herrlich-seltsame Weise den sich stetig verändernden Lauf der Dinge: "Houses will shake, fences will drift / We will awake, only to find / Nothing's the same." Das Titelstück ist ein schön getakteter Pop-Song, der auf unnachahmliche Weise all das zum Vorschein bringt, wofür Death Cab For Cutie gefeiert und geliebt werden: smarte, aber nicht oberlehrerhafte Lyrics, eine schmeichelnde Melodie und dieses unbestimmte Gefühl, das sich seit jeher in Ben Gibbards weicher Stimme manifestiert. Doch neben dieser offensichtlichen, eingängigen Seite verstehen es Death Cab For Cutie nach wie vor, treibende, leicht vertrackte Rocksongs wie das schön-verspulte "Doors unlocked and open" zu komponieren, in dem es so mitreißend wie schwindelerregend heißt: "Somewhere down in the ocean of sound / We'll live in slow motion and be free / With doors unlocked and open." Beklemmende Freiheiten, lakonisch, süß und bitter.
Die Vorabsingle "You are a tourist" ist ohne Zweifel eine kleine Verneigung vor Isaac Brock und seinen Mannen und pulsiert, wie es sich für einen nimmermüden Schlachtruf gegen die Selbstzweifel gehört. Mit "Monday morning", "Portable television" und "Underneath the sycamore" gelingt Death Cab For Cutie zum Ende hin noch ein beachtlicher Gitarrenpop-Hattrick, wobei sich vor allem bei letztgenanntem Song die Nackenhaare aufstellen. "Codes and keys" ist ein großartig facettenreiches Album, das den typischen Indiepop des Quartetts mit elektronischen Flächen, sanftem Knistern und spannenden Rhyhtmus-Experimenten kreuzt. Und dabei keineswegs verkopft oder abgehoben wirkt, sondern vielmehr eine Band zeigt, die sich wohl schon längst dafür entschieden hat, sich nicht mehr zu entscheiden. So darf es gerne weitergehen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Home is a fire
- Codes and keys
- You are a tourist
- Underneath the sycamore
Tracklist
- Home is a fire
- Codes and keys
- Some boys
- Doors unlocked and open
- You are a tourist
- Unobstructed views
- Monday morning
- Portable television
- Underneath the sycamore
- St. Peter's Cathedral
- Stay young, go dancing
Im Forum kommentieren
jo
2019-11-23 07:28:20
Ja, mag ich auch mit am liebsten. Für mich ist es ebenfalls "Some Boys" und wiederum die letzten beiden Songs, die etwas gegenüber dem Rest abfallen (wobei "Stay Young..." noch irgendwo klargeht). Aber gerade "Unobstructed Views" fand ich immer sehr schön, wenn auch unscheinbar.
hideout
2019-11-22 23:22:59
Würde zu den Highlights auf jeden Fall noch die famosen "Doors unlocked and open" und "St. Peter's cathedral" zählen.
Lustig, ich habe denen zwar eine 8/10 gegeben, aber sie tendieren stark zur 9/10. Der Schlusssong "Stay young, go dancing" erinnert irgendwie stark an The Decemberists ("The engine driver", "Here I dreamt I was an archictect").
MopedTobias (Marvin)
2019-11-22 21:11:32
Kann ich sogar nachvollziehen, ist stilistisch mit ihr spannendstes Album. Imo aber trotzdem ganz klar hinter "Plans" (und "Transatlanticism" sowieso), da beide emotional packender sind.
The MACHINA of God
2019-11-22 21:06:59
War immer mein Liebling neben der "Transatlanticism".
MopedTobias (Marvin)
2019-11-22 21:05:10
In diesem Fall geh ich bei Track 3 aber konform, finde "Some boys" auch ganz schön belanglos.
Würde zu den Highlights auf jeden Fall noch die famosen "Doors unlocked and open" und "St. Peter's cathedral" zählen.
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