Frida Gold - Juwel

Warner
VÖ: 15.04.2011

Das gefühlte Jetzt

Ungeduldig waren Frida Gold vor zwei Jahren schon. Damals hatten sie bereits erste Titel geschrieben, die sie sofort veröffentlichen wollten. "Wovon sollen wir träumen" etwa, ein Song darüber, wie die Generation von Sängerin Alina Süggeler vergeblich versucht, eine sinnvolle Rolle im Leben zu finden. Damals, so Süggeler, habe sie gedacht, den Song unmittelbar und direkt veröffentlichen zu wollen, weil er ihr Lebensgefühl vermittelte. In jener Zeit und nicht irgendwann, Wochen später. Zwei Jahre sind seither vergangen, und Süggeler hat ihre Einschätzung korrigiert. Der Song drückt noch immer dasselbe aus, ist überdies eine gute, luftig-leichte Popnummer und auch der beste Song auf "Juwel": "Vergessen zu essen, wir trinken zu viel / Es bleibt ein Spiel ohne Ziel / [...] / Wo sind wir zuhaus?"

Süggelers Gedankenprozess zeigt aber auch: Um als Neuling den notwendigen Mechanismen der Branche zu folgen, bedarf es Ausdauer. Bands müssen eigentlich ihrer Zeit voraus sein, wenn sie zur Veröffentlichung den Puls der Zeit treffen wollen. Frida Gold spielen Pop, vor allen Dingen getragen durch und dominiert von Synthie-Sounds, was ihnen Vergleiche mit La Roux und Marina & The Diamonds eingebracht hat. Ein deutsches Pendant, nur eben zwei Jahre später. Überdies aber erinnert "Aufgewacht" an Chapeau Claque, in kitschigen Momenten spazieren Rosenstolz oder Nena durch die Köpfe, und gerade Süggelers Art und Weise des Auftretens und Erzählens euphorisiert die Anhänger von Mieze Katz.

Die Band aus Hattingen im Ruhrpott bemüht sich um Details in ihren Songs, um Feinheiten, die dem einheitlichen Soundgewand die Stirn bieten. Daher auch der Name "Juwel" für das Album, als Dokumentation des langwierigen Arbeitsprozesses, auf den die Band stolz zurückschaut. Süggeler textet zwischenzeitlich auch abseits von Reimschemata, und es entspringen gute Ideen: "Wir werden älter als wir sind." Und neben der erwähnten, feintrabenden Single "Wovon sollen wir träumen" verliert auch der Refrain von "Zeig mir wie Du tanzt" nicht an Eingängigkeit. Man merkt: Der Anspruch ist hoch, allerdings unterliegt der immer wieder der Realität. Frida Gold spielen auch Pop, der intelligenter sein will, als er ist. Entzieht man "Nackt vor Deiner Tür" den elektronischen Halt unter den Füßen, ist, Verzeihung, Helene Fischer nicht weit; "Unsere Liebe ist aus Gold" behilft sich eines Sylver-Beats, und "Komm zu mir nach Haus" wirft ein bratziges Riff ins Geschehen. Gut Juwel will eben Weile haben. Dann muss die Schleifmaschine ein paar Runden mehr drehen - auch wenn es noch zwei Jahre dauert.

(Stephan Müller)

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