Herbert Grönemeyer - Schiffsverkehr

Grönland / EMI
VÖ: 18.03.2011
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Tief verankert

Herbert Grönemeyer mag das Meer. Für einen gebürtigen Bochumer und Exil-Londoner ist das ein erklärbares Sehnsuchtsgefühl, welches er in seiner Jugend in einem kleinen Ferienhäuschen seiner Eltern in Holland ausleben konnte und heuer natürlich in seinen Songs. "Land unter" kennt er schon, war auf dem Weg "Zum Meer" - und fordert nun mehr "Schiffsverkehr". Missfällige Blicke muss er nicht fürchten, wenn er singt: "Weg mit dem fixen Problem / Ich will mehr Schiffsverkehr." Grönemeyer geht es nicht um eine Kreuzfahrt auf einem Rentnerkutter, als vielmehr um die Kraft, die Antriebsstärke, den Vorwärtsdrang und das Freiheitsgefühl: "Ich leb' mich voran."

Der Sound auf Grönemeyers 13. Studioalbum überrascht indes mehr als seine Zuneigung zur See. Druckvoller und elektronischer sollte es werden, und die erste Single bestätigt dies sogleich. "Schiffsverkehr" vertraut offenbar auf Muse und deren Song "Uprising", "Kreuz meinen Weg" schlägt tiefe, dunkle Piano-Töne an, Synthies und Gitarren fanatisieren sich, und mit gleich zwei Schlagzeugen entsteht eine Wand aus Dampf, die seit "Bleibt alles anders" immer rissiger wurde und nur noch marginal umherwaberte.

Grönemeyer ist aber nicht so progressiv, den Ansatz konsequent auf Albumlänge fortzusetzen. Er drosselt das Tempo und besingt die Zuneigung in "Unfassbarer Grund": "Ach wär doch Liebe nur ein Wort." Die Klavierballade "Deine Zeit" unterdessen mischt Töne aus Bryan Adams' "Please forgive me" mit einer Beta-Version von "Halt mich" und thematisiert die Alzheimer-Krankheit seiner Mutter. Die Streicher meinen es darin aber zu gut. "Zu Dir" will in puncto Imposanz nicht zurückstecken, beheimatet aber die schöne Zeile: "Die Erinnerung bleibt für immer jung."

Erfrischend aber sind andere Aspekte. Der (limitierte) Mut zum Rock, die jazzigen Töne in "Lass es uns nicht regnen" oder die selbstironische Selbstverliebtheit in "So wie ich". Über den forsch-swingenden Beat in "Fernweh" legt Grönemeyer Silbendudeleien und einen Pruster am Ende, um Gleichgültigkeit zu demonstrieren - und doch wähnt man sich stets in Gesellschaft eines nachdenklichen Gemüts. Das liegt zum Beispiel an der folgenden Konfrontation mit der Geschichte eines Afghanistan-Soldaten in "Auf dem Feld". Dieser Ansatz bildet eine Ausnahme für Grönemeyer, der sich weniger als Geschichtenerzähler sieht und vielmehr als Jemand, der Zustände beschreibt. So gesehen bleibt er noch auf lange Zeit der wahre Lobbyist des Status Quo.

(Stephan Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Schiffsverkehr
  • Fernweh
  • Auf dem Feld

Tracklist

  1. Schiffsverkehr
  2. Kreuz meinen Weg
  3. Fernweh
  4. Unfassbarer Grund
  5. Deine Zeit
  6. Erzähl mir von morgen
  7. Auf dem Feld
  8. Zu dir
  9. Wäre ich einfach nur feige
  10. Lass es uns nicht regnen
  11. So wie ich
Gesamtspielzeit: 56:57 min

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