...And You Will Know Us By The Trail Of Dead - Tao of the dead

Superball / EMI
VÖ: 04.02.2011
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Dissertation in Rock

Im Vorfeld zum neuen Album von ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead wurde viel spekuliert, gemutmaßt, gemunkelt und getuschelt. Wird es gar ein One-Track-Ding? Ein unskipbarer Monolith, wenn man so möchte? Man diskutierte über Sinn und Unsinn des Ganzen, natürlich ohne auf einen Nenner zu kommen. Auf der einen Seite stehen schließlich die Fans der jüngeren, Pop-verliebten Alben - und auf der anderen die Anhänger der wuchtigen Frühwerke. Das Tolle an der nunmehr siebten Platte der Texaner aber ist die Verbindung beider Welten. Ein hermetisch versiegeltes Werk ist es geworden, das den Hörer über Falltüren und doppelte Böden in sich hineinsaugt, während drinnen Pop, Rock, Prog und Electronica tobend übereinander herfallen und um die Vorherrschaft in diesem Wurmloch der Eruption kämpfen. Doch wer letztlich den Thron ergattert, bleibt unklar, denn bei jedem neuen Hördurchgang geht ein anderes Element als strahlender Sieger hervor.

Diese Instabilität lässt "Tao of the dead" zu einem Leviathan anwachsen, der freilich mehr ist als die Summe der einzelnen Teile. Eine Flucht für den Hörer ist indes ganz und gar unmöglich. Doch wer sollte auch das Bedürfnis verspüren, "Tao of the dead" entkommen zu wollen? Das Album ist gewissermaßen zweigeteilt: Die ersten elf Stücke firmieren unter "Tao of the dead (Part one)", während der abschließende Fünf-Track-Brocken "Strange news from another planet" des Irrsinns zweiten Teil markiert. Beide Kapitel trennt jedoch mehr als bloße konzeptuelle Überlegungen, da sie in unterschiedlichen Stimmungen komponiert wurden. Im undurchdringlichen Kosmos von ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead gelten schließlich seit eh und je ganz eigene Gesetze, die man als Außenstehender nicht verstehen muss, vielleicht gar nicht verstehen kann. "Tao of the dead" ist eine weiterer Beweis für den Sonderstatus dieser Band: Ein höchst homogenes, in sich geschlossenes und dichtes Album ohne Highlights, dessen Star es selbst ist.

Denn mit fließenden Übergängen, die jegliche Grenzen zwischen den Songs verwischen, macht es diese Platte schlicht unmöglich, einzelne Tracks hervorzuheben. Jeder Paukenschlag, jeder wüste Noise-Ausbruch, jeder himmelsstürmende Refrain hat hier seine Bedeutung und funktioniert am besten in einem Gesamtkontext, das fernab jeder Songorientierung das totgeglaubte Medium Album wieder zum Leben erweckt. Man muss "Tao of the dead" am Stück und auf Kopfhörern rezipieren, um zum glühenden, inneren Kern durchzudringen. Die Tore öffnen sich mit einem recht unspektakulären Intro, auf das mit "Pure radio cosplay" eine dieser urwüchsigen Achterbahnfahrten folgt. Dynamisch, überschäumend, megaloman: drei Adjektive, die sich zumindest asymptotisch dem Mark dieses Stückes nähern. "Summer of all dead souls" ist ein Paradestück von Keely, Reece und Co.: Auf dem ruppigen Biest "Source tags & codes" hätte dieser Song den wonnigen Ruhepol, auf der Pop-Dissertation "Worlds apart" hingegen eher den Moment der Tollwut dargestellt.

Stichwort Pop: "The wasteland" und "Weight of the sun (Or the post-modern Prometheus)" nehmen den Druck etwas raus, tanzen mit den bedächtigsten Melodien gen Horizont und geben ein kleines bißchen Zeit und Raum zum Verschnaufen. Mit "Pure radio cosplay (Reprise)" wird der Parforceritt wieder aufgenommen, nur um ihn mit "Ebb away" ein letztes Mal zu unterbrechen: Auch hier nähern sich ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead mit größter Zartheit dem Song, der zum Ende hin an Durchschlagskraft gewinnt. Über das von Kraut- und Progrock inspirierte "The fairlight pendant" wird die Brücke zum ausgefeilten Abschluss "Strange news from another planet" geschlagen. Bedrohlich und dunkel, melancholisch und strahlend, wellenreitend und purzelbäumeschlagend vereinnahmt dieser Koloss, der das dringliche Bedürfnis zu besitzen scheint, in 16 Minuten um die Welt reisen zu wollen, inklusive Kurztrip zum Mond. Und so untermauern die Texaner ihre Stellung als verworrene Extremisten, die mit Geistesblitzen um sich werfen wie Zeus an zornigen Tagen. Ein weiteres Mal haben sie pures Feuer in zwölf atemlose Stücke gegossen: der musikgewordene Energieerhaltungssatz.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Summer of all dead souls
  • The wasteland
  • Weight of the sun (Or the post-modern Prometheus)
  • Ebb away
  • Strange news from another planet

Tracklist

  1. Let's experiment
  2. Pure radio cosplay
  3. Summer of all dead souls
  4. Cover the days like a tidal wave
  5. Fall of the empire
  6. The wasteland
  7. Spiral jetty
  8. Weight of the sun (Or the post-modern Prometheus)
  9. Pure radio cosplay (Reprise)
  10. Ebb away
  11. The fairlight pendant
  12. Strange news from another planet
Gesamtspielzeit: 52:22 min

Im Forum kommentieren

Felix H

2023-07-04 21:11:40

Nicht offiziell-offiziell, aber...

Hoschi

2023-07-04 20:15:15

Weiß jemand eigentlich warum es den Part 3 eigentlich nirgends zu streamen gibt?
Weder in Tidal noch in Spotify verfügbar.
Würde den gerne mal wieder hören.

Mr Oh so

2023-07-04 19:52:14

Hab zwar an anderer Stelle Madonna als ihre beste gepriesen, aber - ach! - es ist natürlich Tao!

didz

2023-06-24 21:58:30

teile 1-3 zusammen genommen kratzen für mich sogar an 'worlds apart'.
das album vereint alles was an ihnen toll is, und tuts in einer knackigen, kompakten art. toller flow, nix da was nich sein muss, auf den punkt die melodien rausgehauen und ab gehts zum nächsten song. großartig.
im juli kommt auch ein reprint auf goldener vinyl, sieht richtig edel aus zusammen mit dem lila des covers.

The MACHINA of God

2023-06-24 19:21:08

Jepp. Eines ihrer besten.

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