Mogwai - Hardcore will never die, but you will

PIAS / Rough Trade
VÖ: 11.02.2011
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Denn sie wissen, was sie tun

Mit mangelndem Selbstbewusstsein haben sich Mogwai bisher wahrlich noch nie herumgeschlagen. Nach der Abkehr von den großen, langen Dramen zum Jahrtausendwechsel wurde nicht nur ihnen selbst beständig Stagnation vorgeworfen, sondern auch ihr Genre mehrfach für mausetot erklärt. Kein Grund für Mogwai, nicht einfach immer weiter Platten aufzunehmen, die dann jeweils eben doch wieder vollauf überzeugten. Mit "Hardcore will never die, but you will" haben die Könige im Mundtotmachen bereits im Titel vorgesorgt. Schon klar, was uns das sagen soll - wir geben ja schon Ruhe. Zumal das mit der Stagnation ohnehin Unsinn ist. Allerdings entwickeln Mogwai lieber ihre Songs statt ihrer Konzepte. Und genau auf dieser Ebene traut man ihnen mittlerweile sogar dann alles zu, wenn sie gerade einmal mit Produzent Paul Savage auf dem Nostalgietrip surfen. Und andersherum.

"How to be a werewolf" bespielt nachdrücklich so lange einen einzigen Akkord, bis die harmonische Auflösung mit vertieften Bassfiguren einer orgiastischen Verwandlung gleichkommt - allerdings ohne die Schädeldecke des Hörers mit exorbitanter Lautstärke zum Platzen zu bringen. Stattdessen vibriert hier alles von vorn herein und gewinnt unter Martin Bullochs Schlagzeugfiguren einen treibenden Fluss. Seit geraumer Zeit arbeiten sich Mogwai zu einer derart ökonomischen Ordnung vor, die irgendwann vielleicht gar keine Akkordwechsel mehr verlangen wird, um ihr Anliegen glasklar zu machen. So funktioniert "Letters to the Metro" mit hinkendem Besenschlagzeug, wummernden Bassdrums, Slide-Gitarren und in Moll erzitterndem Klavier zwar eindeutig als Reminiszenz an "Come on die young", braucht aber keine - sei es manisch von unten drückende oder explodierende - Melodien oder Kraftakte mehr. Die Eleganz, mit der hier alles zusammenkommt, ist Statement genug.

Innerhalb dieser Neuordnung ihrer Systeme schaffen es Mogwai auch, das zunächst recht eindimensional voranrockende "San Pedro" unmerklich in eine meisterhafte Komposition zu verwickeln, bei der sich - ebenso wie beim hervorragenden "Death rays" - erst hinterher die Frage stellt, wann genau diese Lieder eigentlich so derart voll, flirrend und vielschichtig geworden sind. "George Square Thatcher death party" spielt das Spiel noch einmal, wählt sich diesmal jedoch einen angerauten Basslauf als Gleitstrahl, um auf Vocoder-Gesängen in eine Akkordöffnung zu switchen, nach derem erstmaligen Erscheinen auch der Song vollends angekommen ist. Selbst das kratzende Riff von "Rano pano" entpuppt sich schließlich als passendes Vehikel für allerlei flimmernd und kitzelnd übers Firmament ziehende Gitarrensounds. Für mehr war es nicht gedacht, und ist es nicht zu gebrauchen: ein Frachtschiff, das erneut all das hält, was Mogwai sich in den Kopf gesetzt haben.

Genau deshalb wird "You're Lionel Richie" zunächst immer leiser, bevor ein typisches, zwischen Trägheitsmoment und Schwerkraft oszillierendes Riff durch die Stille hämmert. Die Tür zur lautesten Band der Welt wollen sie halt nicht schließen. Auch das ein Statement, das man sich immer wieder auf der Zunge zergehen lassen darf. Ebenso wie das präkoitale Zucken von "Mexican Grand Prix", das nur deshalb derart nah bei Krautrock, Kraftwerk und Trans Am bleibt, damit es zum letzten Drittel und aus vollstem Kiffertrip heraus nochmals anziehen kann, bis der Hörer nun wirklich nicht mehr weiß, weshalb er jetzt schon wieder nur die Hälfte mitbekommen hat.

So muss man Mogwais Songs auf "Hardcore will never die, but you will" abermals nicht vom Anfang, sondern aus der Mitte heraus denken, um ihnen auf die Schliche zu kommen. Banale Riffs stülpen sich mehrmals um, ein einzelner Ton erarbeitet sich in aller Ruhe vollendeten melodischen Größenwahn, Beats trippen zunächst, knacken dann aber unmissverständlich, Harmonien ziehen sich selbst das Fell über die Ohren - und das Trommelfell des Hörers gleich mit. Aus ihrer Mitte heraus sind und bleiben Mogwai Meister des Arrangements. Man würde ihnen dafür glatt auf die Schulter klopfen, wenn sie nicht selbst bereits mutmaßlich ein T-Shirt damit bedruckt hätten.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Mexican Grand Prix
  • Death rays
  • San Pedro
  • George Square Thatcher death party

Tracklist

  1. White noise
  2. Mexican Grand Prix
  3. Rano pano
  4. Death rays
  5. San Pedro
  6. Letters to the metro
  7. George Square Thatcher death party
  8. How to be a werewolf
  9. Too raging to cheers
  10. You're Lionel Richie
Gesamtspielzeit: 53:07 min

Im Forum kommentieren

Leech85

2021-03-16 08:52:56

Werwolf und Lionel so wie Death Rays gehören für mich zu den besten Mogwai Songs ever!

1. Mogwai Fear Satan
2. Every Country's Sun
3. How to be a Werwolf
4. Ex Cowboy
5. Helicon 2
6. Crossing the Road Material
7. Death Rays
8. You're Lionel Richie
9. Jim Morrison is dead
10. I know you are but what am I

Das neue Album wurde hier noch nicht berücksichtigt;)

The MACHINA of God

2020-10-04 15:03:44

Meinte eigentlich How To Be A Werewolf und nicht Too Raging To Cheers, aber der ist auch nicht schlecht.

Jepp, "Werwolf" und "Lionel Ritchie" sind klasse.

Given To The Rising

2020-10-04 13:52:11

Meinte eigentlich How To Be A Werewolf und nicht Too Raging To Cheers, aber der ist auch nicht schlecht.

Thanksalot

2020-10-04 09:59:50

Die letzten beiden Tracks sind es aber auch wert.

Absolut. Und dann noch der 20-Minüter der Deluxe Edition...

Given To The Rising

2020-10-02 18:49:52

White Noise auf dem Konzert in Stuttgart 2011 war eine ganz besondere Erfahrung. Die letzten beiden Tracks sind es aber auch wert.

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