Of Montreal - False priest

Polyvinyl / Cargo
VÖ: 10.09.2010
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Bettgeflüster

Es gibt Alben, bei denen allein die Covergestaltung den Kauf rechtfertigt. Das Auge hört mit, sagt der kleine Teufel auf der Schulter, und schon fliegen die Scheine aus dem Portemonnaie für die Platte einer Band, von der man noch nie etwas gehört hat. Im besten Fall auf Vinyl, denn schließlich kommt ein gelungenes Artwork dann gleich drei Mal so gut. Auf der anderen Seite stehen Platten mit so hässlichem Cover, dass man sich am liebsten unvermittelt die Augen ausstechen möchte - besonders bitter bei Musikern, die man eigentlich schätzt. Ein neuer Fall für die Geschmacksbrigade ist das mittlerweile zehnte Album der amerikanischen Indie-Weirdos Of Montreal. Dass diese eine ausgeprägte Vorliebe für avantgardistischen Augenschmaus haben, stellten sie zuletzt mit der ausklappbaren Wahnsinnsgestaltung von "Skeletal lamping" unter Beweis. Allemal ansehnlicher als die brennenden Herzen, Pfeile und obendrein Ratzinger-Bilder, die nun "False priest" zieren.

Taktisch auch eher ungünstig: Den schwächsten Song eines Albums sollte man lieber im hinteren Drittel verstecken. Denn als Eröffnung taugt die lauwarme Prince-B-Seite "I feel ya' strutter" kaum. Man wünscht sich augenblicklich zurück zum verdrogten Superglam des besten Of-Montreal-Albums "Hissing fauna, are you the destroyer?" Auch der kurze Auftritt von Shooting-Star Janelle Monáe bei "Our riotous defects" zieht den glitterbesprühten Paradewagen nicht aus dem Morast. Interessant wird "False priest" erst ab dem hervorragenden "Godly intersex": Hier sagen sich schräger Indie-Pop der Marke The Flaming Lips, hüftkreisender Funk und geschmeidiger R'n'B gute Nacht, bevor sie lüstern übereinander herfallen. Das folgende "Enemy gene" ist ein gehauchtes Horrormärchen, aber dabei ziemlich sexy: Auch hier hat Monáe ihre erfolgversprechenden Stimmbänder im Spiel, und diesmal geht der Plan auf: Ein Album voller Songs dieser Güteklasse, und die Welt wäre vermutlich ein besserer Ort.

Die Marschroute auf "False priest" ist klar: Indie und Funk und R'n'B und schwüler Bowie-Pop, dazu Texte, die passend zur Genre-Mixtur Bettgeschichten erzählen. Anderes kommt bei Kevin Barnes anscheinend nicht mehr in die Koje. Dass einige Songs schlicht für die Tonne sind, trübt die Stimmung dann aber doch ziemlich. Und das ist immer dann der Fall, wenn Of Montreal billige Porno-Funk-Nummern spielen und Barnes' Stimme gar nicht mehr von den Wolken herabsteigen möchte. Es ist dort oben aber auch zu gemütlich, mit Mika einen Tee zu trinken und danach mit den Scissor Sisters die nächste Motto-Party unsicher zu machen. Leider misslingt auch der Gastauftritt von Beyoncés kleiner Schwester Solange im schiefgewickelten "Sex karma", was weniger an ihren Gesangskünsten als an dem kreuzdämlichen Text und den unsäglichen Chören liegt.

So ist "False priest" ein zweischneidiges Plastikschwert: Auf der einen Seite verfolgt Barnes weiterhin seinen megalomanen Masterplan, Indie-Pop und Funk zu verheiraten und fliegt damit regelmäßig auf die Nase, auf der anderen Seite komponiert er sagenhafte Freak-Pop-Stücke, für die Wayne Coyne vielleicht nicht direkt seine Großmutter verkaufen, sich aber vermutlich den Vollbart rasieren lassen würde. Es ist nach wie vor der Tanz auf der rosaroten Ladyshave-Klinge, der Of Montreal so interessant macht. "False priest" ist folglich kein so mittelmäßiges Album, wie es die nüchterne Bewertung vielleicht ausdrückt. Vielmehr gilt es hier, sich die subjektiven Rosinen rauszupicken und damit dann ziemlich glücklich zu werden. Das bisschen Spannung muss bei Of Montreal eben sein. Fast wie bei einem Album, das man sich nur gekauft hat, weil einen das Cover im Plattenladen so anlächelte. Wenigstens die Gefahr besteht bei "False priest" kaum.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Godly intersex
  • Enemy gene
  • Famine affair

Tracklist

  1. I feel ya' strutter
  2. Our riotous defects
  3. Coquet coquette
  4. Godly intersex
  5. Enemy gene
  6. Hydra fancies
  7. Like a tourist
  8. Sex karma
  9. Girl named hello
  10. Famine affair
  11. Casualty of you
  12. Around the way
  13. You do mutilate?
Gesamtspielzeit: 53:43 min

Im Forum kommentieren

mellohippo

2011-08-03 23:43:57

Möchte ausdrücklich betonen, dass ungeachtet der doofen Rezi und der hier wiederholt geäußerten Ansicht, das Album sei viel schwächer als die letzten drei Alben, ich der Meinung bin, daß "False Priest" allen gefallen sollte, die die letzten drei Alben ebenfalls zu schätzen wußten.

Howgh, ich habe gesprochen.

Sleepyheadphone

2010-11-19 17:18:48

Ich verstehe jetzt auch nicht ganz, wieso die hier so runtergemacht wird. Ich meine, Hits hat sie ja wohl. Gut, vielleicht nicht Hits für anspruchslose Hitparadenhörer, aber trotzdem sind "Sex Karma", "Enemy Gene" und "Famine Affair" doch brilliante Popstücke, für die so manche Band der heutigen "Indie"-Szene, denen anscheinend immer weniger Melodien einfallen, morden würde.
Und Pop ist eben auch manchmal ziemlicher Nonsense, um mal auf die experimentelleren Songs und generell die Texte zu sprechen zu kommen. In der Rezension ist von einem "Tanz auf der rosaroten Ladyshave-Klinge" die Rede, das trifft es ziemlich gut, wie ich finde. Of Montreal ziehen ihre Musik eben durch (und nicht ohne Augenzwinkern, falls das jemandem hier noch nicht aufgefallen sein sollte), und das ist es was die Platte so spannend zu hören macht (für mich). Finde ich zumindest spannender als irgendeine perfekt zusammengeschusterte Platte voller songs bei denen alles stimmt (musikkalisch) die sich aber insgesamt zu wenig trauen, oder die man in der Form auch irgendwo schonmal gehört hat. Davon gibts leider immer mehr ....

Gordon Fraser

2010-10-08 18:03:38

Für mich nach der etwas zu verquasten "Skeletal Lamping" wieder eine starke Platte. "Godly Intersex", "Enemy Gene", Like A Tourist", "Girl Named Hello", "Sex Karma"... große Hitdichte.

Unfassbar aber, wie es Barnes schafft, jedes Mal das Artwork noch beknackter zu gestalten. Der Hammer!

normaler user

2010-09-19 11:30:40

boah dödel halts maul!

Kevin

2010-09-19 02:35:29

Oh sorry! Tut mir leid, werde das direkt mal zur Korrektur weiterleiten.

Danke für den Hinweis!

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