Philipp Poisel - Bis nach Toulouse
Grönland / Rough TradeVÖ: 27.08.2010
Heute hier, morgen dort
Er zweifelt, also ist er. Für Philipp Poisel ist das die Luft zum Atmen. Diese Melancholie, die sich einstellt, wenn man in Einsamkeit badet. Wenn man an die Ferne denkt und überlegt, wie es aussieht, wenn sich das Sonnenlicht am Abend an der Küstenstraße rot färbt. Oder sich an all die zerbrochenen Beziehungen erinnert, die das Leben auf Zickzack-Kurs gebracht haben. Immer dann, wenn es im Herzen blutet und der Schwermut einzieht, singt Poisel ein Lied davon. "Bis nach Toulouse" ist ein Album, das bei einer Flasche Rotwein seine ganze Strahlkraft preisgibt. Wie passend.
Dort, wo Gisbert zu Knyphausen die Hoffnung sausen lässt, setzt Poisel an. Die Musik ist leicht, wenn auch in schwerem Moll getränkt. Die Melodien sind erbauend, wenn auch in Melancholie getaucht. Sowieso ist es vor allem die Stimme des jungen Ludwigsburgers, die nachhaltig beschäftigt. Man hört da den sanften Grönemeyer raus, manchmal auch den romantischen Rio Reiser. Die Eröffnung "Wie soll ein Mensch das ertragen" gibt einen wunderbaren Eindruck der Sogkraft der Songs von Poisel. Man ist ergriffen, vielleicht sogar bewegt und nimmt die Schlichtheit des Arrangements gar nicht erst wahr.
Wenn sich Poisel in seinem Schwermut eingenistet hat und das Klavier längst die tiefen Oktaven erreicht hat, bricht diese dichte Wolkenfront auf. "Bis nach Toulouse", der Titeltrack, ist ganz leicht, beinahe umarmend. Der Text rauscht vorbei, die Straßen in Frankreich auch. Man kennt das ja. Mit einem schmerzenden Lächeln sitzt man da, getroffen und voller Sehnsucht nach diesen berauschenden Sonnenuntergängen und beseelt von der Melancholie des Spätsommers. Bei Sekunde 33 des Songs versteckt sich der schönste Moment der Platte: Es ist der audiophile Sonnenstrahl, der endlich durch das bedrückende Grau bricht.
Ist das Fernweh durchstanden, kommt "Zünde alle Feuer" zur rechten Zeit. Ein Song, der Gisbert zu Knyphausen gut gestanden hätte. Das Schlagzeug bricht aus, die Gitarre schrammelt, Poisels Stimme überschlägt sich. Plötzlich rast das Herz: Mit diesem tobenden Ausbruch hat man nicht gerechnet. Bald kommt das Schlaflied "Hab keine Angst", das die Platte zu einem entsprechenden Abschluss führt. Man fühlt sich zum Heulen, man fühlt sich alleine. Man weiß wieder, dass das Leben kein Lustspiel ist. Es ist tragisch. Und traurig. Poisel singt, dass da jeder durch muss, keine Angst. Und man möchte ihn gerne fest in den Arm nehmen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Bis nach Toulouse
- Zünde alle Feuer
- Hab keine Angst
Tracklist
- Wie soll ein Mensch das ertragen
- Für keine Kohle dieser Welt
- Im Garten von Gettys
- Froh dabei zu sein
- Bis nach Toulouse
- Zünde aller Feuer
- All die Jahre
- Markt und Fluss
- Zwischen innen und außen
- Liebe meines Lebens
- Hab keine Angst
- Ich will nur (live)
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M@rc
2010-10-15 15:39:41
Auch in meinen Augen ein sehr schönes Album. Phänomenale erste Albumhälfte - das Niveau kann der Junge leider nicht über die gesamte Albumlänge halten:
Wie soll ein Mensch das ertragen? (8/10)
Für keine Kohle dieser Welt (9/10)
Im Garten von Gettys (8/10)
Froh dabei zu sein (9/10)
Bis nach Tolouse (9/10)
Zünde alle Feuer (9/10)
All die Jahre (7/10)
Markt und Fluß (2/10)
Zwischen Innen und Außen (5/10)
Liebe meines Lebens (5/10)
Hab keine Angst (5/10)
ich will nur (Live)(6/10)
Wer sich noch ein Bild machen möchte, dem sie folgender Link empfohlen:
http://www.wdr.de/tv/rockpalast/extra/videos/2010/0813/philipp_poisel.jsp
Besonders gut gefällt mir die Liveversion von "Zünde alle Feuer"
Jan1976
2010-10-15 12:00:22
Ich kenne bisher nur die unplugged Version von "Wie soll ein Mensch das ertragen" und das Peter Fox Cover "Schwarz zu blau".
Hat mich mittlerweile so überzeugt dass ich mir das ALbum demnächst doch auch mal zulege.
The Triumph of Our Tired Eyes
2010-10-15 11:50:51
Schönes Album, aber beim Text von "Im Garten von Gettys" möchte ich jedes Mal das Album ausmachen. Soooo ein schlimmer Text. 2RaumWohnung lässt grüssen.
Schenker
2010-10-15 11:33:32
Erklär mir mal einer, was daran kitschig sein soll. Am besten einer von den pubertären Abgrenzungsfetischisten ohne Sinn und Verstand. Timmy und Lemmy vor!:)
SvK
2010-10-14 21:27:42
überraschend gutes album.
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