Janelle Monáe - The ArchAndroid
Bad Boy / WarnerVÖ: 23.07.2010
Die Welt ist nicht genug
Jede Stadt braucht ihren Helden. Gotham hat Batman, Metropolis Superman. Doch gerade in letzterer war es schon immer eng, voll und laut. Schließlich tummelten sich hier schon ein paar Jahre vorher die Protagonisten aus Fritz Langs namensgebenden Meisterwerk. Nun hatte sich Metropolis gerade wieder etwas eingerichtet, nachdem der Film im Februar restauriert, repariert und remontiert wurde und so im Februar wieder auf die Leinwand kam. Nun jedoch nimmt sich jemand die ganze Stadt als Nische, zitiert reichlich aus jenem Film und krempelt mal eben die gesamte Musikwelt um. Und das mit einer Idee, für die sich so manche Progband in den Siebzigern schon zu schade gewesen wäre. Im Jahr 2719 macht sich die Androidin Cindi Mayweather auf, Metropolis von einer Geheimorganisation zu erlösen. Deren Plan ist es nämlich, Liebe und Freiheit mithilfe von Zeitreisen zu allen Epochen zu abzuschaffen. Das genetische Material für eben jene Androidin lieferte selbstverständlich niemand anderes als Janelle Monáe. So simpel, so einfach der lose Plot, so tief die Musik. Denn auf "The ArchAndroid" wird alles zum Einfluss. Soul, Funk, HipHop, Punk und Dance werden mit einer Leichtigkeit verquirlt, wie es noch nie auf einem Debüt geschehen ist. Zitate und Fußnoten werden so eng in den eigenen Kosmos eingebunden, dass sie kaum wiederzuerkennen sind.
Dabei klingt schon "Suite II overture" so verflucht bekannt und ist als Einführung in den folgenden Wahnsinn bestens geeignet. Die Streicher türmen sich düster aus einem Orchestergraben, und der zarte Rhythmus lässt vor dem Auge das Flirren einer Stadt entstehen, die ständig in Bewegung und doch gelähmt ist. Stimmen versuchen sich aus jenen Schichten zu lösen, bevor das kurze Finale einreißt. Nun ist Metropolis hochgezogen, doch die Wege dieser Stadt bleiben doch immer wieder unbegreiflich. Am ehesten bieten noch die kurzen Popstücke Halt - wie etwa "Cold war", dessen Tempo auf "The ArchAndroid" uneinholbar bleiben wird. Das folgende "Tightrope", das sich Big Boi als Gast genehmigt, flackert unter seinen Takten. Nicht nur hier ist es das große Talent von Monáe, ihre Stimme mit den Melodien verschmelzen zu lassen. Permanent wandelt sich diese und ist dabei nie aufdringlich. Überhaupt ist hier alles im Fluss und folgt seinen ganz eigenen Gesetzen und Ecken. Es gibt kaum eine Leerstelle, die dem Hörer überlassen wird. Harmonien lüften sich erst mit der Zeit, und auch die Blocks und Viertel, in denen sich "The ArchAndroid" abspielt, erschließen sich bald schneller.
Da poltert es in "Comes alive" an einer stumpfen Basslinie entlang, dass es eine Freude ist. Glockenspiel, Gitarre und Taktgedresche tasten sich gegenseitig ab, bevor sich Monáe ihre Stimmbänder aus der Kehle krächzt und ächzt. Danach wird erst einmal wieder Aufbauarbeit betrieben und das Epische in der Ouvertüre gesucht, bevor sich "Neon valley street" mit seinem leichten Schlagzeug und den Streichern zuckersüß gibt. Platz für ein Gitarrensolo ist dort auch noch allemal. Hinter dieser ganzen Breite verbirgt sich meist die Wondaland Art Society, das ein kollektiv geführtes Studio und gegenseitige Inspiration bietet vornehmlich durch die beiden Köpfe Chuck Lightning und Nate Wonder, die auch am Großteil dieses Albums mitproduziert haben. Doch die Idee hinter jener Bewegung ist nicht die leere Ästhetik eines House Of Gaga, sondern die Schaffung einer eigenen Welt. Dieser ist alles, was war, nicht genug. Und sie schafft es, sich einfach mal eben neu zu erfinden.
Dass sich dabei nie ein Zwang einschleicht, und "The ArchAndroid" folglich nur so vor Leichtigkeit strotzt, macht dieses Album so unglaublich. Wie die unterschiedlichen Ouvertüren in den Kontext eingebunden sind, wie die Songs ineinander übergehen, wie sich diese Stimme in ihren Kokoon zurückzieht, um schlussendlich mit dem nächsten Streich aufzuwarten, lässt den Hörer einfach nicht mehr los. Zahllose Dinge lungern hinter diesem Vorhang herum, der den Blick öffnet auf diesen abgespaceten Trip, der manchmal wie ein Derwisch in allen Genres wütet und an anderen Stellen behutsam die Melodien streichelt. Energie gibt es hier schließlich endlos und Stillstand ist nicht mal mehr eine Idee. Soul hat noch nie so futuristisch geklungen und dabei derart viele Facetten gezeigt. Erst am Ende verstummt leise ein Klavier, und die Rettung der Liebe ist spätestens jetzt nur noch einen kleinen Schritt entfernt. Ein Glück für Metropolis, dass sich nach Joh Fredersen und Superman nun Miss Janelle Monáe ihrer angenommen hat.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Faster
- Cold war
- Tightrope (feat. Big Boi)
- Wondaland
- BabopbyeYa
Tracklist
- Suite II Overture
- Dance or die (feat. Saul Williams)
- Faster
- Locked inside
- Sir Greendown
- Cold war
- Tightrope (feat. Big Boi)
- Neon gumbo
- Oh, maker
- Comes alive (The war of the roses)
- Mushrooms & roses
- Suite III Overture
- Neon valley street
- Make the bus (feat. Of Montreal)
- Wondaland
- 57821 (feat. Deep Cotton)
- Say you'll go
- BabopbyeYa
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The MACHINA of God
2024-08-15 14:24:37
Laut Last.Fm mit exakt 600 Scrobbles Platz 25 meiner meistgehörten Alben ever... grad mal wieder seit langem am Stück gehört. Einfach wunderbar.
DerMeister
2021-08-01 21:47:36
Make the Bus mag ich eigentlich sehr, auch wenn es nicht umbedingt ein Highlight ist.
Die Metropolis EP (ohne die Bonus-Tracks) ist meiner Meinung nach genau so gut wie das Album.
The MACHINA of God
2021-07-31 21:22:24
"Make the bus" wirkt für mich vollkommen deplatziert, weshalb ich den meist skippe (als Einzelsong geht der aber klar). Der Rest ist immer noch fantastisch.
MopedTobias (Marvin)
2020-01-13 00:54:07
Nice, slowdive. Nicht nur ein guter Filmgeschmack :) *high-five*
slowdive
2020-01-13 00:28:18
Ich habe meinem Beitrag zwei Posts über diesem nichts hinzuzufügen. War Platz 7 bei mir im Poll.
Ah, bei mir auch. Wahnsinnsalbum. *high five*
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