Damien Jurado - Saint Bartlett

Secretly Canadian / Cargo
VÖ: 09.07.2010
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Überaus stimmig

Jack Bauer erfolterte sich munter Kastrat auf Kastrat, Horatio Cane blieb unterm Mikroskop die Spucke weg, und Dr. House flippte aus: Für Damien Jurados Stimme wurden schon ganze SEKs gegründet - alles ohne Erfolg. Sie sitzt weder im Bauch oder der Kehle, noch bringt sie im Resonanzraum der Nasennebenhöhlen die Polypen zum Conga-Dängeln. Sie ist mächtig und groß, aber doch auch seltsam verhuscht und überhaupt nicht pathetisch. So lautet das ernüchternde Protokoll all der Aufklärungsarbeit. Dies liegt natürlich auch daran, dass Jurado seine Stimme bereits mehrfach verlegt hat. Sie vom grummelig zermümmelten "Ghost of David" bis zu "Caught in the trees" auf Reise durch seine Körperzonen schickte. "Saint Bartlett", Jurados neuntes Album, baut ihr nun ein besonderes Denkmal. Und verlegt sie gleich ein weiteres Mal - in seinem Körper und in seinen Arrangements.

Wobei sich zunächst die Frage stellt, ob die ganzen Ein-Riff-Studien zwischen leise, etwas lauter, wieder leiser und Teletext-Tafel 777 überhaupt als tragfähige Arrangements bezeichnet werden können. Letztlich sperrt dieser für Jurado durchaus untypische Minimalismus aber eben nur den Platz frei für die Tatkraft in seiner Stimme. Der lichte Hallschleier, hinter dem sie zu schweben scheint, erweist sich dabei schnell als luzides Milieu, das Jurado allein mit der Kraft seines Gesangs durchstoßen kann. Eine Art Sollbruchstelle, eine Barriere, in deren Überwindung der Beweis für die Stimmgewalt erbracht wird.

Und so spielt auch der 50ies-Vibe von "Cloudy shoes", "The falling snow" und vor allem des hervorragenden "Arkansas" nur ganz sachte auf. Trotz Phil-Spector-Klavieren, -Streichern und Doo-Wop-Backgrounds - die Gitarren flüstern eher durch den Hintergrund, die Tonfarben und Arrangements bleiben sehr aufgeräumt und klingen so gar nicht nach Wall Of Sound. Klanghölzer, Paukenschläge und Handclaps geben den zungeschnalzenden Gegentakt zum Schunkelschlagzeug. Bis letztlich eben Jurados Timbre die Federführung übernimmt.

Der Nachdruck, der dabei in seinen Texten liegt, ist von dem eher Jurado-typischen Kummer-Folk von "Kansas City", "With lightning in your hands" und "Rachel & Cali" sattsam bekannt. Nach wie vor gibt es hier keine Punchlines, sondern tiefste seelische Abgründe, die in schlichte Sprache und klare Geschichten verpackt werden. Ein besonderes Talent, das Jurado auch auf "Saint Bartlett" keinesfalls verlassen hat. In diesem neuen, von Produzent Richard Swift mit größter Sorgsamkeit herausgearbeiteten Kontext wird es aber nochmals exponiert. Gibt einen Zwitter aus purer Energie und bodenloser Verzweiflung. Und wird so beinahe selbst zu einer weiteren Nostalgica zwischen Pettycoat und schwermütigem Stirnrunzeln über Flanellhemd.

Selbst Songs wie "Wallingford" und "Harborview" werden trotz ihrer röhrenden Neil-Young-Gitarren in diesen Strom gezogen. Ebenso der wirklich steinerweichende, bittere Klagegesang von "Kalama". Diese neue Selbstgewissheit, die sich auf "Caught in the trees" bereits andeutete, aber eher in zackige Folk-Pop-Songs gegossen wurde, findet auf "Saint Bartlett" eine Heimstadt, die Elegie und Entschlossenheit gleichermaßen transportiert. Damit löst sich auch das Rätsel um Jurados Stimme auf dankbar schlichte Weise: Sie sitzt mitten im Brustkasten, ist ein zweites, unbändig pochendes Herz, das Jurado einst in die Hose rutschte und nun langsam, Album für Album, Song für Song, wieder nach oben geholt wird. Inzwischen befindet sie sich in der Tat am rechten Fleck. Zittert aber noch vor der eigenen Güte. Doch eben dieses Zittern macht sie - wie auch "Saint Bartlett" - derart groß und besonders.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Cloudy shoes
  • Arkansas
  • Wallingford
  • Kansas City
  • Kalama
  • With lightning in your hands

Tracklist

  1. Cloudy shoes
  2. Arkansas
  3. Rachel & Cali
  4. Throwing your voice
  5. Wallingford
  6. Pear
  7. Kansas City
  8. Harborview
  9. Kalama
  10. The falling snow
  11. Beacon Hill
  12. With lightning in your hands
Gesamtspielzeit: 36:33 min

Im Forum kommentieren

Orange

2010-08-17 00:08:56

Ja, ist gut geworden!

Johnny Utah

2010-08-16 22:37:22

ps: ich streiche 1x 'gefällt'

Johnny Utah

2010-08-16 22:36:05

Im Vergleich zu 'Caught in the trees' sehr ruhig und introvertierter. Nach dem ersten Durchgang war ich etwas enttäuscht, aber mittlerweile rotiert die Platte sehr oft.
Der 50s-Vibe gefällt in einigen Stücken gefällt mir auch sehr gut:

Damien Jurado - Arkansas

Obrac

2010-08-16 22:24:38

Mein Album des Jahres bisher inkl. meines Songs des Jahres, Rachel & Cali.

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