The Divine Comedy - Bang goes the knighthood
Divine Comedy / PIAS / Rough TradeVÖ: 28.05.2010
Fehl und Adel
Die Liste der Verfehlungen im Staate England ist lang. Das weiß Neil Hannon am besten, obwohl er Nordire ist. Außerdem ist er ein hoffnungsloser Schöngeist, der über die Liebe in Zeiten von Vogelgrippe und Bombenhagel singt, sich als galanter Frauenheld in Szene setzt und selbst nervtötenden Fahrten mit überfüllten Personenzügen eine heitere Note abgewinnen kann. Auch wenn er all das zumeist mit spitzen Aphorismen oder zumindest gütigem Spott versieht. Und so sinniert Hannon auch auf dem zehnten Album von The Divine Comedy pointiert über die bizarren Auswüchse des Lebens - zu sublimer Instrumentierung aus Kammerpop-Gewusel, Streicherseufzen und elegischen Klavierläufen.
Seine Kriegsgewinnler sind Freudenmädchen, die sich im faschistischen Italien zwischen den Fronten eine goldene Nase verdienen, unschuldig dreinschauende Finanzverbrecher und Oberhausmitglieder, die in schmierigen Kellerpuffs ihre unflätigen Phantasien ausleben. Leichtfüßig hüpft das "Neapolitan girl" auf orchestral beschwingten Harmonien von Freier zu Freier, im Titelstück lässt sich ein adliger Anzugträger auspeitschen, während im Hintergrund ein schleppendes Piano-Chanson läuft, und "The complete banker" plant zu einem rumpelnden Pop-Shuffle bereits den nächsten Coup: "Maybe this recession is a blessing in disguise / We can build a much much bigger bubble the next time." Auch in Krisenzeiten gilt: Schlimmer geht immer.
Wohl dem, der bei all diesen Turbulenzen noch Zeit für Muße und Entspannung hat. Zum Beispiel "At the indie disco", in der halbakustisches, schüchtern von der Seite shoegazendes Gitarrengeschunkel läuft und nebenbei launig sämtliche relevanten Songklassiker und Genrevertreter in den Text wurstet - obwohl Hannon natürlich genau weiß, dass er genausogut seinen eigenen Namen erwähnen könnte. Doch derartige Dünkel hat er schon lange nicht mehr nötig. Lieber reimt er "stupid stuff" auf "tainted love" und lässt sein Herz im Bus nach Hause so hektisch verliebt hoppeln wie den Grundbeat von "Blue Monday". Was eine recht kalkulierte Pose sein mag - aber auch eine hinreißende, die man dem alten Romantiker unbesehen abnimmt.
Die barocke musikalische Begleitung driftet dabei gelegentlich ins Nebensächliche ab - man könnte sich "Bang goes the knighthood" auch als gutes Buch vorstellen, wobei man sich besonders zu "The lost art of conversation", einem Stoßseufzer über die Verrohung sprachlicher und literarischer Sitten, gerne in den Ohrensessel fläzt. Am besten in der Abgeschiedenheit des "Island life", wo althergebrachte Druckerzeugnisse soziale Netzwerke ersetzen und die Welt noch in Ordnung ist. Auch der fidele Gitarrenpopper "I like" hat zum Schluss natürlich nicht das Geringste mit Facebook zu tun. Danach sollte man Hannon dann aber genauso in Frieden lassen wie seine tragikomischen Figuren, wenn sie ihren mannigfaltigen Obsessionen nachgehen. Also bitte nicht folgen - nicht in den Folterkeller und erst recht nicht auf Twitter.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The complete banker
- Bang goes the knighthood
- At the indie disco
- Assume the perpendicular
Tracklist
- Down in the street below
- The complete banker
- Neapolitan girl
- Bang goes the knighthood
- At the indie disco
- Have you ever been in love
- Assume the perpendicular
- The lost art of conversation
- Island life
- When a man cries
- Can you stand upon one leg
- I like
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