Stromae - Cheese

B1 / Universal
VÖ: 25.06.2010
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Schnödes Wochenende

Es gibt Leute, die nicht immer leben. Manchmal vegetieren sie nur, meistens von Montag Morgen bis Freitag Nachmittag. Dann heißt es flugs Hammer, Stift oder sonstiges Gerät fallengelassen und sich ins Nachtleben gestürzt. In der Popmusik von jeher ein Thema, zuletzt dank des Belgiers Paul van Haver alias Stromae: Seine Nummer Eins "Alors on danse" ist ein aus steifgeschlagenen House-Keyboards und auf dem letzten Loch quäkender Trötensequenz gebastelter Dancetrack, für den die Bezeichnung "Hit" nicht nur aufgrund der Verkaufszahlen, sondern auch musikalisch gerechtfertigt ist. Und der weitaus witziger ist als der Künstlername, den sich van Haver aus den vertauschten Silben des Wortes "Maestro" zusammengebaut hat.

Und zu lachen gibt es sonst ja nicht viel. Der Chef tobt, die Kollegen nerven, Plockwurst statt Salami auf der Pizza, vom berüchtigten Analogkäse ganz zu schweigen. Dumm, dass Stromae auf seinem Debüt "Cheese" zu großen Teilen ebendiesen produziert. Zwar macht man es sich zu einfach, wenn man behauptet, dass alle Stücke außer "Alors on danse" für Langeweile sorgen. Denn "Cheese" bemüht sich bei einer Musik, zu deren Hauptmerkmalen Gleichförmigkeit und Repitition zählen, redlich um Abwechslung. Aber bitte nicht zu viel davon, handelt das Album doch von der Tretmühle des Kampfsterns Alltag und von Wochenenden, an denen man sich mit aller Macht zu amüsieren hat - oder zumindest so tut.

In Clubs, die vollgepfropft sind mit Leuten, die leere Gesichtsmerkmale zur Schau tragen. Mit Substanzen, die "Rail de musique" herunterrattert wie die schwarze Liste der Drogenberatungsstelle: "Ma clope, mon chit, ma dose, ma weed, ma coke, mon speed, mon crack." Zugegeben: "Ma musique" ist auch Teil dieser Aufzählung. Tatsächlich geizt Stromae nicht mit fetzendem Filter-House, baut querschießende Rhythmusmaschinen, tiefe Bässe und mehrsprachiges Gewirr in seine Tracks ein und karikiert ungelenk rappend die Yuppie-Partygesellschaft - und macht so immerhin keineswegs auf herkömmlichen Charts-Act. Und vorübergehend fesseln die aggressive Monotonie und rohe Kraft durchaus. Jedoch nicht allzu lange.

"Te quiero" marschiert nach dynamischem Beginn mit variationslosem Piano irgendwann im Kreis und kommt doch mit einem blauen Auge davon. "Silence" tritt trotz bombastisch verhallter Sequenz auf der Stelle, und Tracks wie "Summertime" oder "House'llujah" gehören ohnehin auf Nimmerwiederhören in die Clubkaschemmen für leitende Angestellte weggesperrt, wo ein Bier sechs Euro kostet - Postironie hin oder her. Der perfide Ohrwurmcharakter und fatalistische Humor von "Alors on danse" zwar in allen Ehren - doch dem debilen Spaßfaktor, den vor einiger Zeit das pöbelnde französische Dandy-Konstrukt Helmut Fritz erreichte, steht Stromae auf Albumlänge meist chancenlos gegenüber. Und hat den Leuten am Ende lediglich erzählt, was sie bereits wissen: Das Leben ist eines der schwersten. Mit "Cheese" wird es kaum leichter.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Te quiero
  • Alors on danse

Tracklist

  1. Bienvenue chez moi
  2. Te quiero
  3. Peace or violence
  4. Rail de musique
  5. Alors on danse
  6. Summertime
  7. Dodo
  8. Silence
  9. Je cours
  10. House'llujah
  11. Cheese
Gesamtspielzeit: 39:57 min

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