Frog Eyes - Paul's tomb: a triumph

Dead Oceans / Cargo
VÖ: 07.05.2010
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Raumgreifende Maßnahmen

Ambitionierter künstlerischer Output als subversiver Akt bedarf antagonistischer Räume, damit sich die Kunst und die Musik so richtig ausleben können. Viel Raum benötigt auch immer Carey Mercer, Mastermind von Frog Eyes und Mitglied von Swan Lake sowie diversen anderen Minisuperprojekten - wie das als kanadischer Indierock-Kleinod-Held eben üblich ist. Und das neue Album "Paul's tomb: a triumph" ist ein dicker Brocken, schwerer noch als das in der Gesamtlänge doch recht kurze "Tears of valedictorian". Hier erklimmen immerhin vier der neun Songs oder besser Tracks - der Unterschied verschwimmt bei Frog Eyes - die Sechs-Minuten-Marke, ohne dass in der Länge immer ein Mehrwert zu sichten wäre. Doch bekanntlich kommt es ja nicht immer auf die Länge an.

Wie schon bei einigen vorherigen Alben kämpft Frontmann Mercer mit seiner Truppe oder Mercer, Mercer und Mercer mit seiner/ihrer eigenen Stimme gegen das geordnete Chaos und gegen zwei widerstreitende Gitarren an - wobei die erste freilich von Mercer selbst, die zweite gnadenlos grandios von Ryan Beattie bedient wird. Und, keine Bange, Ihr Freunde der Unordnung: Klarheit wird dieses Album zu keiner Zeit offenbaren. Gleichgültig, bei welchem der neun Stücke der Hörvorgang begonnen wird, letztlich scheint hier alles aus Repetitionen, Pausen und Brüchen zu bestehen. Dieses fragile Konstrukt wird meist nur durch den Spannungsbogen von Mercers Stimme zusammengehalten. Sie erinnert im Übrigen stark an die eines Dan Bejar von Destroyer oder an Spencer Krug von Sunset Rubdown.

Im Auftaktstück "A flower in a glove" funktioniert noch alles ganz wunderbar. Es zieht sich zwar über neun Minuten in die Länge, doch selbst die Pausen und Brücken wirken und hallen nach. So franst der Song nie aus, und die Euphorie geht bis zur letzten Sekunde durch Mark und Bein. So geht es indes nicht immer weiter. Beim dritten Anlauf "Odetta's war" kann einem das Gegniedel schon gehörig auf die Nerven gehen. Dafür steht im gut vierminütigen "Rebel horns" wieder alles zum Besten. Mercer jagt ihn mit Karacho vor die Wand, freilich nicht ohne kurz auch einmal in den Leerlauf zu schalten. Hier sind zudem Anflüge von Rachmaninows "Rach 3" erkennbar. Diese werden aber schon alsbald wieder destruiert.

Einmal, ja einmal blitzen danach nochmals Genie, Glanz und Glamour auf. "Lear in love" wirbelt ordentlich Staub aus dem Getriebe heraus und bringt das Stück endlich ohne Umwege ans Ziel und auf den Punkt. Die Zeile "I kissed a girl" in häufiger Wiederholung wird hier fast zum Sloganhaften ausgereizt, wirkt aber niemals aufgesetzt. Anschließend setzt wieder ein wenig gemächliche Langeweile ein. Mercer und seine Frog Eyes nutzen über die gesamte Albumlänge die selbst abgesteckten Räume manchmal nur unzureichend. Einige vermeintliche Ideen zünden nicht sofort. Und werden dennoch zu Platzpatronen, die in den kahlen Räumen von "Paul's tomb: a triumph" nachhallen.

(Carsten Rehbein)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • A flower in a glove
  • Rebel horns
  • Lear in love

Tracklist

  1. A flower in a glove
  2. The sensitive girls
  3. Odetta's war
  4. Rebel horns
  5. Lear, in the park
  6. Styled by Dr. Roberts
  7. Lear in love
  8. Violent psalms
  9. Paul's tomb
Gesamtspielzeit: 49:29 min

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