Ólafur Arnalds - ...And they have escaped the weight of darkness

Erased Tapes / Indigo
VÖ: 14.05.2010
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Seine Maschen

Als Geniestreich zwischen klassischer Klaviermusik und modernem Indiepop isländischer Prägung wurde Arnalds Solodebüt "Eulogy for evolution" allerorten abgefeiert, als wäre er der erste Mann an einem Piano überhaupt gewesen. Vollkommen zurecht natürlich. Was aber gemeinhin als Crossover-Meisterwerk betitelt wurde, war eben eines davon nicht so richtig: Crossover. Die Spannung des Albums bestand ja eher darin, dass im Grunde wenig geschah - aber das herzerweichend schön -, bis sich das Album letztendlich in einem Noise-Geballer auflöste. Diese beiden Extreme standen, mit einigen wenigen Nuancen, direkt beieinander, ohne konkret miteinander verbunden zu sein. Aber eben auch, ohne sich gegenseitig abzustoßen. Das war Arnalds' großer Verdienst.

Den wahren Crossover zwischen Klassik und schwermütigem, weit ausholendem Pop vollzieht der Isländer mit Metal-Background jedoch erst so richtig auf seinem zweiten Album "...And they have escaped the weight of darkness". Arnalds drückt die beiden Extreme ein Stückchen weiter in die Mitte und verzahnt sie an den richtigen Stellen miteinander. Gleich der erste Song "Þú ert sólin" macht klar, dass es hier weit weniger minimalistisch und düster zu Werke gehen soll als noch auf dem Debüt. Zum langsam vorbeischwebenden Klavier gesellen sich umgarnende Streicher, die die Leerstellen mit viel Feingefühl füllen und von viel zentralerer Bedeutung sind als noch auf "Eulogy for evolution". "Þú ert sólin" mündet in "Þú ert jörðin", das den Klangkosmos dieser Platte mit einem für Arnalds' Verhältnisse lauten Schlagzeug anreichert. Und damit die Arme eindeutig in Richtung isländischer Landeshelden wie Sigur Rós öffnet.

Die beiden ganz großen Leistungen auf dieser Platte sind die elegischen "Gleypa okkur" und "Hægt, kemur ljósið", deren Instrumentierungen sich unlösbar miteinander vermaschen und zu einem über zehnminütigen Schaubild dessen werden, was dieses Album ist und kann. "Gleypa okkur" leistet zunächst hervorragende Trauerarbeit, steigt hinab nach unten, dorthin, wo die tiefste Melancholie daheim ist. In "Hægt, kemur ljósið" löst Arnalds die Spannung. Der Himmel öffnet sich, und anstatt der nächsten schwarzen Wolke wartet dort eine Sonne, die in Arnalds' Arbeit bisher nie heller schien. Wie glücklich muss der Isländer beim Komponieren dieses traumhaft leichtfüßigen Liedes gewesen sein? Die Dramaturgie dieser beiden Songs ist hervorragend, und die Stücke selber sind es ebenso. Doch auch die übrigen Lieder befinden sich im Einklang mit sich selbst und ihren Tracklistennachbarn. Hier gibt es keine überflüssigen Übergänge oder Momente. Alles fließt in einem Fluss.

So ist "... And they will have escaped the weight of darkness" letztendlich zwar dynamischer, voller und runder als das Debüt. Aber eben auch weniger radikal. Damit bleibt dieses zweite Soloalbum einen winzigen Tick hinter dem Erstling, einfach, weil es etwas gewöhnlicher klingt. Am Ende stehen trotzdem neun wunderschöne Aufnahmen zwischen tiefster Tristesse und überbordendem Enthusiasmus, die final sogar in kleinen Elektrospielereien und Bläsern untergehen. Und schon wieder ein Meisterwerk! Arnalds kennt keine Grenzen und landet bereits seinen zweiten Volltreffer.

(Kai Wehmeier)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Tunglið
  • Gleypa okkur
  • Hægt, kemur ljósið

Tracklist

  1. Þú ert sólin
  2. Þú ert jörðin
  3. Tunglið
  4. Loftið verður skyndilega kalt
  5. Kjurrt
  6. Gleypa okkur
  7. Hægt, kemur ljósið
  8. Undan hulu
  9. Þau hafa sloppið undan þunga myrkursins
Gesamtspielzeit: 43:29 min

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Chamala

2012-02-06 20:48:26

...toller Albumname zumindest.

Rezensent

2012-02-06 20:11:05

Diese sympathische Tat sollte hier nicht unerwähnt bleiben:

Ólafur Arnalds veröffentlicht seine Partituren Stück für Stück kostenlos auf http://olafurarnalds.com/sheet-music/

Alexander

2011-01-19 19:13:50

Wie geht es euch mit diesem Album? Speziell mit dem Ende? Ich muss immer wieder zurückspringen, kann das nicht oft genug hören. Meine Gedanken dazu: http://thedeathcat.com/2011/01/17/myrkursins-aber-man-muss-die-titel-von-olafur-arnalds-nicht-verstehen/

Gelegenheitsleser

2010-05-17 08:44:30

Gerne!

Danke

2010-05-16 21:01:05

...für den Tipp @ Gelegenheitsleser!

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