Emma Pollock - The law of large numbers
Chemikal Underground / Rough TradeVÖ: 26.03.2010
Die eigene Rechnung
Zahlen haben ihren festen Platz in der Popmusik. "Numbers - who's the person that you woke up next to today?", rätselte einmal Marc Almond. "Everything counts in large amounts", orakelten einst Depeche Mode, damals noch ohne zigfach hintereinander ausverkaufte Arenen vor dem geistigen Auge. Panic! At The Disco wussten sogar: "There is a good reason these tables are numbered honey, you just haven't thought of it yet". Emma Pollock mag es da präziser. Schließlich hat sie unter anderem Physik studiert, bevor sie sich dann doch lieber den Delgados anschloss und das Glasgower Label Chemikal Underground mitbegründete.
Naturwissenschaftlich betrachtet besagt das titelgebende "law of large numbers", dass das Resultat eines Experiments sich mit zunehmender Häufigkeit einem durchschnittlichen Mittelwert annähert. Womöglich ein launiger Seitenhieb auf die Tatsache, dass ihre inzwischen aufgelöste Band trotz regelmäßigen Outputs Zeit ihres Bestehens höchstens mittelprächtige Resonanz erntete. Und obwohl die Schottin auch ihre zweite Platte mit Ex-Delgados-Drummer und Ehemann Paul Savage aufgenommen hat, will sie mehr. Mehr Abwechslung, mehr Löcher graben und möglichst bald bei unantastbarer Popmusik und respektablem Songwritertum landen, statt immer nur Indie zu sein. Experiment weitgehend gelungen.
Schon "Hug the harbour" geht nach verspieltem Piano-Intro in die Vollen, marschiert auf Umwegen über polternde Drums und Laut-Leise-Wechsel mitten ins Vergnügungszentrum, bleibt aber bis zum abrupten Ende ungeschliffen und unwägbar. Auch "I could be a saint" gibt sich kratzbürstig und stellt zu saftigen Rhythmen und zwirbelnder Gitarre zwischenmenschliche Unvereinbarkeiten klar: "How can you break my heart / When you've never even made my day?" Alles hat eben zwei Seiten. Auch "The law of large numbers", das nach dem kräftigen Beginn noch einige Quantensprünge macht. "Red orange green" tastet sich zauberhaft in spielerischem Tick-Tock-Rhythmus vorwärts, "Complications" tänzelt mit Drummachine und knatternder Basslinie durch die Glitzerwelt von Goldfrapp, und "Nine lives" hüpft fröhlich über eine Dixieland-Blumenwiese.
Allzu lange kann Pollock also nicht verbergen, dass sie vermutlich eine ganz Reizende ist, die ihrem Liebsten aus Sorge Steinchen gegen das Fenster wirft und noch heute an ihren ersten Schwarm und daran zurückdenkt, wie sie sich die Augen aus dem Kopf weinte, als er plötzlich wegzog. Keine Befindlichkeitslyrik, sondern entzückende kleine Geschichten, die man nicht jedem erzählt. Dass sie genau das hier tut, ist einer der charmanten Widersprüche eines Albums, das bei allem sympathischen Unterhaltungswert etwas hin- und hergerissen wirkt zwischen rockiger Wucht, balladesker Elegie und genrefremden Eskapaden. Zuweilen hat Pollock eben ein bisschen zu viel auf der eigenen Rechnung, die trotz ein paar Unbekannter aber dennoch aufgeht. Naturwissenschaftler wissen nun einmal, wie so etwas funktioniert.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Hug the harbour
- I could be a saint
- Red orange green
Tracklist
- Hug the piano (And)
- Hug the harbour
- I could be a saint
- Red orange green
- Nine lives
- House on the hill
- Letters to strangers
- The loop
- Confessions
- The child in me
- Chemistry will find me
- Hug the piano (Or)
Referenzen
Spotify
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