Alcoholic Faith Mission - Let this be the last night we care

Pony / Morr / Indigo
VÖ: 05.03.2010
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Und übermorgen wieder

An irgendetwas muss man ja glauben. Ans Leben, an die Liebe, an Gott oder vielleicht einfach nur an die Tatsache, dass man in diesem Schuppen hier noch etwas zu trinken bekommt. Eine Alcoholic Faith Mission käme da gerade recht - auch wenn es sich hierbei lediglich um eine Verballhornung der "Apostolic Faith Mission" in unmittelbarer Nähe des Brooklyner Studios handelt, in dem die beiden Dänen Thorben Seierø Jensen and Sune Sølund ihre Platten aufzunehmen pflegen. Da eine solche Mission vermutlich recht überlaufen wäre, wenn es sie denn tatsächlich gäbe, ließen sich auch Jensen und Sølund nicht lumpen und stockten die Band kurzerhand auf fünf Mitglieder auf. Und auch sonst ist auf ihrem dritten Album nach "Misery loves company" und "421 Wythe Avenue" jede Menge los.

Vor allem dank der zwischen jubilierend und jenseitig taumelnden Stimme von Kristine Permild, die "Let this be the last night we care" in Richtung himmlische Pop-Symphonik erhebt. Zugegeben: Voluminös holpernde Rhythmen, selbstvergessen zum Reverb-Himmel auffahrende Gitarren und mit gefallenen Engelschören aufgefüllte Breaks sind nicht gerade das, was man beim Begriff Pop erwarten würde. Und trotzdem steckt hier jede Menge von diesem im Detail: verführerische Süße in Sound und Gesang, emotionaler Katzenjammer sowie schwindelnde Sehnsucht und auch eine Portion Sex. Von geregeltem Gefühlshaushalt und trauter Zweisamkeit sind Alcoholic Faith Mission aber zumeist weit entfernt.

Denn durch die Mehrzahl der Songs geistert zweistimmig herausgeschriene Resignation ob kaputter oder erst gar nicht funktionierender Beziehungen. Was man beim verschleppt treibenden "My eyes to see" noch für Euphorie halten könnte, erhält spätestens im programmatisch betitelten "Got love? Got shellfish!" einen Dämpfer: "You fuck me, you wrong me / I get love from everyone but you." Erkenntnisse, auf die man sich erst einmal einen oder mehrere genehmigen muss, nur um seine Meinung im nächsten Stück direkt wieder zu ändern: "Sober now, sober now / It's not too late to be with you." Und es hat etwas furchtbar Rührendes, den Dänen bei ihrer Schnitzeljagd nach etwas zuzuhören, das dauerhaft berauscht, statt am nächsten Tag nur einen dicken Kopf und den Geschmack eines alten Teppichs im Mund zu hinterlassen.

Immerhin eine Situation, zu der dieses chronisch zweifelnde Album einen nahezu idealen Soundtrack abgibt. Ein Song wie das behutsam Radioheads "No surprises" nachbauende "Snuck in to ride it" könnte im richtigen Moment sogar zum guten Vorsatz verleiten, die Sauferei endgültig an den Nagel zu hängen. Heute mal nicht blau. Morgen auch nicht. Aber vielleicht übermorgen wieder. Es kann schließlich niemand genau sagen, was in den nächsten Nächten passiert und ob man sich danach nicht dringend einen zur Brust nehmen muss. Und falls es so sein sollte, sind Alcoholic Faith Mission sicher zur Stelle, um mit einem anzustoßen. Auf das seltsame Leben, die trügerische Liebe und diese wunderbaren zwölf Songs. Auch wenn sie zuweilen an ihrer eigenen Schönheit zu zerbrechen drohen.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • My eyes to see
  • Got love? Got shellfish!
  • Sobriety up and left
  • Education

Tracklist

  1. Put the virus in you
  2. My eyes to see
  3. Closer to Dallas
  4. Got love? Got shellfish!
  5. Sobriety up and left
  6. Season me right
  7. Education
  8. Snuck in to ride it
  9. The you, that you could use
  10. Should've left before she woke
  11. Honeydrip
  12. Untitled
Gesamtspielzeit: 44:42 min

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