Gonjasufi - A Sufi and a killer

Warp / Rough Trade
VÖ: 12.03.2010
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Dr. Seltsam

Ein sufitischer Yogalehrer, der aus der Wüste Nevadas nach Los Angeles umsiedelt, sich dort mit einem Beatbastler namens The Gaslamp Killer zusammentut und ein Album rausbringt, das von Avantgarde-HipHop über Blues und Psychedelia bis hin zu Soul-Samples und Sitars alles in einen Topf haut. Was wie die Synopse für einen drogengeschwängerten neuen Tarantino-Film klingt, ist dann aber doch eine sehr ernste Angelegenheit, wenn man sich die Biographie von Sumach Ecks alias Gonjasufi etwas genauer anschaut. Denn als am 11. September 2001 zwei von arabischen Terroristen entführte Flugzeuge ins New Yorker World Trade Center rasen, arbeitet Sumach auf dem Airport von Los Angeles und betankt dort Flugzeuge. Es bedarf nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, was für Blicke Ecks zu dieser Zeit auf sich gezogen haben muss. Es sind aber gerade negative Erfahrungen wie diese, die "A Sufi and a killer" bei genauem Hinhören zu mehr machen als einem bloß durchgeknallten Album, wie es in dieser Form zuvor wohl noch nicht zu hören war. Ecks' Debüt ist vielmehr eine Platte, die aus einem tiefen inneren Bedürfnis heraus gemacht werden musste.

Gonjasufi schwankt zwischen Hoffnung und Verderben. Schleppt sich wie im Delirium durch die psychedelischen Beats von "Kobwebz" und beklagt gleich anschließend auf "Ancestors" mit wegbrechender Stimme seine Orientierungslosigkeit, unterlegt von einem verstörenden Boom-Clap-Beat, für den Steven Ellison von Flying Lotus verantwortlich zeichnet. Wenig später hingegen schickt er im Beck-artigen "She gone" seine verflossene Liebe ebenso wütend wie tief ins Herz getroffen in die Wüste. Dazwischen wieder schwebt Ecks auf Engelsschwingen und -trompeten durch die Easy-Listening-Oase "Sheep" und wünscht sich, ebendieses Tier zu sein - "because I wouldn't have to kill to eat". Bis der Song schlagartig in Bongopercussion und Sitaresoterik umkippt und Gonjasufi erkennt, dass er wohl doch eher ein Löwe ist: "Roamin' free so no one's safe".

Der Rest ist nicht weniger seltsam und aberwitzig unberechenbar. "Suzie Q" unterzieht "I wanna be your dog" von den Stooges einer Generalüberholung, "Stardustin'" wagt sich an psychedelischen Wüstenrock, "Kowboyz & Indians" gerät zum orientalischen Schlangentanz. Es ist erstaunlich, wie hier mit jedem Zwei-Minuten-Song etwas Neues passiert und doch alles wie aus einem Guss wirkt. Das liegt vor allem an Ecks' rauer Stimme, die flüstert, schreit, beschwört und immer wieder abzustürzen scheint, aber doch alles zusammenhält. Meist klingt sie, als würde jemand in einem öden Wüstenkaff in eine Metalldose singen und am anderen Ende der knackenden Telefonleitung von Gaslamp Killer auf eine Bandmaschine aufgenommen, die ihre besten Tage Mitte der Fünfziger hatte. Entsprechend analog-kaputt ist der Sound von "A Sufi and a killer" geraten. Die Bassdrum pocht viel zu laut, der Gesang ist seltsam weit weg und bisweilen übersteuert. Gerade das aber injiziert "A Sufi and a killer" die gehörige Portion Dreck, die eben auch am Leben klebt und die Ecks' Visionen zusätzliche Authentizität verleiht.

Es dürfte schwierig werden, 2010 spannendere Alben aus dem Hut zu zaubern. Alben, die von Isaac-Hayes-artigen Slow-Motion-Beats ("Change") über geschmeidigen G-Funk ("Candylane") einen Abstecher nach Indien ("Klowds") unternehmen, um schließlich beim Blues zu landen ("Ageing"). Und die dabei nicht eine Sekunde lang gekünstelt klingen, sondern hörbar den Sound der Straße atmen. Eine reichlich gewundene Straße, die auch die Hörer dieses Albums erst einmal bis zu Ende gehen müssen. Wo sie sich dann befinden, lässt sich schwer sagen. Aber aufregend war's auf jeden Fall.

(Harald Jakobs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Kobwebz
  • Ancestors
  • Sheep
  • Kowboyz & indians
  • Ageing

Tracklist

  1. (Bharatanatyam)
  2. Kobwebz
  3. Ancestors
  4. Sheep
  5. She gone
  6. Suzie Q
  7. Stardustin'
  8. Kowboyz & Indians
  9. Change
  10. Duet
  11. Candylane
  12. Holidays
  13. Love of reign
  14. Advice
  15. Klowds
  16. Ageing
  17. DedNd
  18. I've given
  19. Made
Gesamtspielzeit: 58:50 min

Im Forum kommentieren

AliBlaBla

2022-10-17 10:32:14

Nun, in Hamburg (Übel&Gefährlich) war nach seinem Empfinden der Sound so schlecht, das er unentwegt mit dem Fuß auftrampelte, Songs abbrach (!) und schrie, böse Blicke, frage nicht...
Ich hatte wirklich die Furcht, er würde irgendwann in das Publikum springen und jemanden (zB) beißen,..so unsinnig das klingen mag.
So bad vibes....

fakeboy

2022-10-17 08:22:35

Hab ihn nie live gesehen. Hatte allerdings gehört, dass sein Konzert an der Bad Bonn Kilbi 2011 unglaublich schlecht gewesen sei. Aber warum hattest du denn Angst?

AliBlaBla

2022-10-17 08:15:58

Ja, immer noch tolles Album
...allerdings das einzige Konzert, an das ich mich erinnern kann, wo ich (ein wenig, selbst aus der dritten Reihe) ANGST vor dem Künstler hatte; ungelogen.

fakeboy

2022-10-17 07:18:54

Kürzlich mal wieder gehört. Gut gealtert, ein grandioses, sehr eigenes, schräges Meisterwerk.

humber humbert

2012-01-17 23:33:05

Lustig die billige Provokation von 'newsflash', zu einem von-Trier, wie man im Fachkreisen sagt, reichts aber noch nicht.
Aber eigentlich will ich das Video hier nur posten, weil ich es so genial finde.

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