Japandroids - Post-nothing

Unfamiliar / Polyvinyl / Cargo
VÖ: 11.09.2009
Unsere Bewertung: 9/10
9/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

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Endlich einmal entsprach die Hyperventilation der Blogs der Musik, um die es dabei ging. Anlässlich der Veröffentlichung von Japandroids' "Post-nothing" waren die Auskenner feucht im Schritt, weil sie mit ihrer Ahnung angeben durften: Die Twens zogen Fußnoten von Vancouver nach Brooklyn, die Thirtysomethings erinnerten sich an den Noiserock der eigenen Jugend, und überhaupt war es nach dem spinnerten Wohlklang von Animal Collective und Grizzly Bear wieder mal Zeit für Lautstärke. Natürlich erfüllen die Kanadier sämtliche Indie-Nazi-Klischees mit links: Ihre Musik ist mit dichtem Akkordgeschrammel, Topfschlag-Drums und Unisono-Plärren nur beinahe korrekt beschrieben. Japandroids sind zu zweit, machen aber doppelt so viel Alarm wie ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead. Unbeholfen versinkt der Gesang der beiden im Gitarrenlärm, weil hier sechs Saiten durch doppelt so viele Verzerrer gejagt werden. Leidenschaft und Teenage Angst wogen gegeneinander und zerreiben ein paar der großartigsten Melodien dieses Jahrgangs unter sich. Und während Etiketten wie Noise, Hardcore, Postpunk, No-Fi und Garage Rock in den Müll wandern, feiert Pitchforkmedia den erfrischenden Mangel an real existierender Komplexität.

Das Nerdtum steckt auf "Post-nothing" vorwiegend in Bandname und Albumtitel, denn die brodelnden Gefühle von Brian King und David Prowse lassen keinen Platz für unnötige Cleverness. Ihre begeisternde Explosivität entfalten Japandroids vor allem deswegen, weil sie den ganzen Scheiß bisher in sich rein fraßen und ihn erst jetzt mit voll aufgedrehten Verstärkern auf Albumlänge loswerden können. Wie notwendig dieses Ventil ist, zeigt sich darin, dass King die laufende Tour wegen eines blutenden Magengeschwürs unterbrechen musste. Japandroids sind keine Weicheier, sie bluten für uns.

Weil die Jugend zu schnell vorbei ist, als dass sie zögern dürften, legen Japandroids los wie ein Blizzard. Schon das eröffnende "The boys are leaving town" gibt die Marschrichtung vor: weg, raus, fort. Weiter, immer weiter. Die motorische Unruhe entspricht dem gängigen ADH-Syndrom. Japandroids wissen trotzdem, wie merkfähige Songs geplärrt werden: "I don't wanna worry about dying", brüllt es aus dem phantastischen "Young hearts spark fire" heraus, und in "Wet hair" lässt sich sogar Testosteron nachweisen: "Must get to France / So we can French kiss some French girls."

Diese ruhelosen Hymnen werden erst aufs Nötigste skelettiert und dann mit aller übriggebliebenen Wucht gepimpt. Der Titel "Post-nothing" ist dabei glatt gelogen, weil das hier post-alles ist. Wäre dieses Album ein Blog, hätte es nicht nur Tags wie "post indie", "hipster garbage" und "please hype this", sondern auch Trackbacks zu No Age, Mika Miko und Times New Viking sowie einer Blogroll mit mindenstens McLusky, Doughboys, Superchunk, Sonic Youth, Hüsker Dü und The Sonics. Hier passieren alle Deine Lieblingsbands und die der coolen Freunde, die Du nie hattest - gleichzeitig. Das Riff von "Heart sweats" und sein Weiße-Jungs-Funk könnte Helmet passiert sein, wenn Prowse und King nicht dazu ihren Doppelgesang in Richtung Emo schicken würden. Im Noise-Pop-Mahlstrom "Sovereignty" werden sogar die Beatles genamedroppt, bevor Japandroids ihr Vornewegsein für einen kurzen Moment genießen können: "It's raining in Vancouver / But I don't give a fuck / 'Cause I'm far from home tonight." Sogar das Wunschdenken geht hier durch ein Fuzz-Pedal. Obwohl sich diese acht Songs immer wieder in eine Idee verbeißen und dann bis zu sechs Minuten auf ihr herumreiten, dauert das Album gerade einmal knapp 36 Minuten. Da bleibt weder Zeit für Füller noch für Vers-Refrain-Langeweile, es gibt nur Hits, Hits, Hits. Und vor allem deswegen ist "Post-nothing" so schnell durch: damit man es noch schneller wieder von vorne hören kann.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Young hearts spark fire
  • Wet hair
  • Heart sweats
  • Sovereignty

Tracklist

  1. The boys are leaving town
  2. Young hearts spark fire
  3. Wet hair
  4. Rockers East Vancouver
  5. Heart sweats
  6. Crazy/Forever
  7. Sovereignty
  8. I quit girls
Gesamtspielzeit: 35:44 min

Im Forum kommentieren

saihttam

2024-11-06 00:08:19

So beim drüber Schreiben kriege ich aber doch mal wieder Lust die E-Gitarre auszupacken und Young Hearts Spark Fire nachzuspielen. Ewig nicht mehr gemacht und schon ganz vergessen, dass ich den mal konnte. Wahnsinnssong!

saihttam

2024-11-06 00:06:25

Ich kanns mir aber mittlerweile leider wirklich nicht mehr so gut anhören wie damals. Irgendwie hat sich seitdem zu viel getan und ich bin halt nicht mehr im gleichen Mindset wie damals. Ich hab das neue Album noch nicht gehört, aber wenn sie darauf wirklich immer noch die gleiche Musik mit den gleichen Themen machen, verstehe ich ein bisschen die Kritik daran. Schon das dritte Album hat mir nicht mehr so viel gegeben. Das zweite war aber noch ziemlich gut und die ersten EPs sowieso.

Hubble

2024-11-05 14:02:49

Für mich gilt das Gleiche in der Studentenzeit. :-)
Zum ersten Mal live gesehen habe ich sie 2010 in Hannover, was ziemlich gut war, da es der Europa-Tourauftakt war und dementsprechend richtig Gas gegeben wurde. Da zu dem Zeitpunkt nur Post-Nothing draußen war, haben sie auch Sachen wie "No allegiance to the queen" gespielt. Beste Erinnerungen!

saihttam

2024-11-04 23:22:19

Hab ich in meiner Abizeit unendlich oft gehört. Das hat damals so viel Euphorie und Vorfreude auf die Zukunft in mir ausgelöst. Dazu dann noch live auf dem wunderbaren Phonopop Festival zwischen den alten Opel-Hallen gesehen. Was war das ein Fest!

Hierkannmanparken

2024-11-01 13:01:41

Höre mich gerade in die Band rein, nachdem mir vom neuen Album All Bets Are Off so gefallen hat.

Vom Sound her auf jeden Fall erstmal ein ziemlicher Bruch. Das Album ist ein ziemlich basslastiger Noise-Brocken. Wenn man sich akklimatisiert hat, macht diese Stimmung aber süchtig. Die Songs sind so unbändig, unbefangen und sehnsüchtig. Die Welt dahinter ist so simpel, aber mitreißend. 2009 ist zufällig auch das Jahr, in dem mein Studium begann, also zusätzlicher Nostalgie-Boost.

In der Pitchfork-Rezi zum neuen Album wurde angemerkt, dass obwohl zwei Männer über nichts Anderes als Frauen, Alkohol und Feiern singen, die Musik nie "toxisch männlich" wurde. Das ist mir auch aufgefallen. Irgendwie ein Kunststück.

Alle Songs sind der Hammer, Heart Sweats sticht für mich aber nochmal besonders heraus.

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