Scott Matthew - There is an ocean that divides ...
Glitterhouse / IndigoVÖ: 24.04.2009
So long
Irgendwas fehlt immer, wenn der Handlungsreisende Scott Matthew nach Hause zurückkehrt. An guten Tagen ist es nur der Rasierapparat, an dramatischen das Spezial-Make-Up für vernarbte Herzen. Dabei ist das alles eigentlich halb so wild: Der Waldschrat-Bart sieht schließlich hübsch verwegen aus, und sein Herz hat er unterwegs sowieso schon wieder verloren. Das trudelt irgendwo auf dem ozeangroßen Spielplatz der Sehnsucht herum und kann sich leider nicht mehr an den Heimweg erinnern. Man muss ihn dann einsammeln, wie einen entlaufenen Hund. Aber nicht alles kommt auf Reisen abhanden, manches verschwindet auch aus den eigenen vier Wänden. Matthew lässt nämlich die Tür gerne offenstehen, vor allem nachts. Und seufzt dann so herzzerreißende Zeilen wie "The dark descends / Fills every room with your absence." Immerhin ist er seit seinem vor fast genau einem Jahr erschienenen Debüt "Scott Matthew" ein Meister der Spurensicherung: Graphitpulver und Pinsel liegen direkt neben Tagebuch und Fahrtenschreiber. Und alle Zeigefinger in der Wunde.
Es rauscht und knistert. Ganz leise, 30 Sekunden lang. Dann beginnt eine tapfere Akustikgitarre, ihre Bahnen zu ziehen, und klingt dabei ein bisschen wie ein gutmütiger Packesel, der in der einen Satteltasche Matthews Melancholie trägt, in der anderen seine Hoffnung - und trotzdem, erstaunlicherweise, nicht das Gleichgewicht verliert. Das könnte aber auch an dem von Marisol Limon Martinez gespielten Glitzer-Piano liegen, das so wunderbar Akzente setzt, und eine tragende Rolle auf Matthews zweitem Album übernimmt. Ohnehin gehen die elf neuen Songs mehr in die Tiefe, fahnden nach Wahrheiten und Treibgut, und nach Erinnerungen, die zu schwer wiegen, um oben schwimmen zu können. Der Weg zu ihnen dauert mindestens so lange, wie das Auswendiglernen dieses Albumtitels: "There is an ocean that divides and with my longing I can charge it with a voltage that's so violent to cross it could mean death". Aber es lohnt sich. Zum einen, weil man ja irgendwann alle Vornamen von Karl-Theodor zu Guttenberg drauf hat und neue Herausforderungen braucht, zum anderen, weil der dazugehörige Titeltrack eine äußerst hilfreiche Lebensweisheit bereithält: Wenn Dir etwas unsingbar erscheint, dann flüstere es einfach.
Gleich die ersten beiden Stücke sind ein wahres Fest für alle, die den letzten Liebeskummer noch nicht vergessen haben. Und wer hat das schon? In "Every traveled road" haucht Matthew "I know you're not the only one / You're the only one with a knife" und beschreibt in "For Dick" den unerfüllt Liebenden völlig unironisch als Rindvieh. Erst zum Grasen auf die Weide, und dann ab zum Schlachter. Das wäre echt kaum auszuhalten, wenn da nicht diese himmlischen Arrangements wären: das Cello, das tief Luft holt und stets Rat weiß, die samtweichen Hörner, der salbungsvolle Chor. Und immer wieder dieses Glitzer-Piano. Auch und vor allem im entzückend entrückten "White horse". Die putzigen Ukulele-Liedchen gibt es aber natürlich auch noch, man nehme nur mal das mit Trompete, Mandoline und Akkordeon festlich ausgeschmückte "Ornament". Die zweite Albumhälfte ist zwar nicht ganz so prachtvoll geraten wie die erste - aber das heißt bei Matthew natürlich überhaupt nichts. Auch wenn "Community" ein bisschen zu sehr schunkelt und das Finale "Friends and foes" mit seinem übernächtigten "Lalala"-Refrain doch etwas erschöpft wirkt, erweist sich das herrlich swingende "Thistle" schließlich als ganz großes Highlight - und Matthew am Ende sogar als Optimist: "In the darkness of oceans / There's light." Wir haben es gehört.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Every traveled road
- For Dick
- Ornament
- Thistle
Tracklist
- Every traveled road
- For Dick
- Ornament
- White horse
- Dog
- Community
- There is an ocean that divides
- German
- Thistle
- Wolverine
- Friends and foes
Referenzen
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