PJ Harvey & John Parish - A woman a man walked by

Island / Universal
VÖ: 03.04.2009
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

In der Wolle

Richtige Miesepeter lassen ihre Wut natürlich niemals an sich selbst aus - PJ Harvey weiß da Bescheid, und sie hat ja auch ihren John Parish. Nach dem letzten, musikalisch vergleichsweise zahmen Soloalbum "White chalk" muss ihr das wieder eingefallen sein; 1996 bereits hatten beide gemeinsam die Platte "Dance hall at Louise Point" aufgenommen und darauf so viel Ungemütlichkeit veranstaltet, wie ein ganzer IKEA-Katalog das alleine nie hinkriegen könnte. Nun also nach Jahren des regelmäßigen Demoverkehrs: "A woman a man walked by", eine Platte, mit der nun wirklich nicht gut Kirschen essen ist und auch sonst eine ganze Menge hochkommt. Words by Harvey, Music by Parish.

Es ist eine seltsam baufällige Platte geworden, eine, für die Parish Jahre alte Songfragmente endlich zu Ende schrieb oder wenigstens für fertig erklärte, während Harvey schon mal in ihren Notizbüchern blätterte, um die dazu passenden Texte zu finden. Am Anfang aber steht "Black hearted love", hier bezeichnenderweise das versöhnliche Stück. Über eine angeknackste Pavement-Memorial-Gitarre entwickelt sich ein Hit, der natürlich keinen Lupenreinheitstest der Welt bestehen würde, aber auch längst nicht so geschlaucht erscheint wie alles, was danach noch kommt. Mit dem überspannten "Sixteen, fifteen, fourteen" lässt sich beispielsweise die Luft zerschneiden: Parish ackert eckig an seinem Banjo herum, Harvey wringt die Wörter aus, und dass am Ende ihrer Geschichte weder Erika noch Daniel etwas zu lachen haben, versteht sich natürlich von selbst.

Immer wieder lassen die Texte auf "A woman a man walked by" mehr offen, als sie verraten, und entsprechen darin Parishs abgebrochenen, oft nur skizzierten, dann aber auch sehr aufbrausenden Kompositionen. Wie sich die wehmütige Orgel und Harveys schwer erkämpfte Vocals in "April" aufeinander stützen, ist nahe dran am Idealfall der hier vorgeführten Arbeitsteilung - es geht aber auch andersherum und mit Gewalt, wenn etwa "Pig will not" die Halsschlagader platzt und Parish dazu am Schweinerock vorbeischrammt, bis ihn doch wieder die eigene Nervosität einholt. Schwer zu begreifen danach, dass er eben noch mit Ukulele, Melodica und den Klaviertasten ganz rechts eine beinahe romantische Vertonung für Harveys erschütternde Schuldbekenntnisse eines Soldaten gefunden hatte. "Send me home damaged / And wanting."

Weil das so schön passt auf alle, die hier am Ball bleiben, kann man den garstigen Humor schon mal überhören, der sich durch "A woman a man walked by" zieht wie eine Sehne durch ein schlechtes Stück Fleisch. Gerade bevor sich das Titelstück in den fahrigen "The crow knows where all the little children go"-Teil hinter seinem Schrägstrich hinüberwälzt, holt Harvey ihre hühnerbrüstigsten Männer-Imitationen raus - sie generiert und verbraucht überhaupt viel Energie, die der Platte im Schlussspurt leider fehlen wird. "Passionless, pointless" und "Cracks in the canvas" bleiben lose ans Albumende geheftete Fußnoten, nicht mehr oder weniger formvollendet als die Lieder davor, aber weit entfernt vom gleichen Punch und ähnlicher Boshaftigkeit. Vielleicht sind Harvey und Parish die Reizpunkte ausgegangen, vielleicht war es irgendwann mal gut mit Gift und Gegengift. Sie haben jetzt ja wieder 12 Jahre Zeit, um sich neue Streitereien zu überlegen.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Black hearted love
  • Sixteen, fifteen, fourteen
  • April

Tracklist

  1. Black hearted love
  2. Sixteen, fifteen, fourteen
  3. Leaving California
  4. The chair
  5. April
  6. A woman a man walked by/The crow knows where all the little children go
  7. The soldiers
  8. Pig will not
  9. Passionless, pointless
  10. Cracks in the canvas
Gesamtspielzeit: 37:06 min